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Die Wächter von Jerusalem

Die Wächter von Jerusalem

Titel: Die Wächter von Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Wulf
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erst einmal hören, was Ibrahim zu sagen hat.«
    Rashid wollte etwas entgegnen, als er einen warnenden Blick des Statthalters auffing. Also zwang er sich zur Ruhe und nahm die Hand vom Griff seines Säbels.
    »Dieser Janitschar gehört also zu dem Prediger?«, fragte Özdemir.
    »Ja«, antwortete Ibrahim. »Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb wir keinen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Predigers gefunden haben. Rashid hat sie alle unterschlagen . Du hattest mit deiner Vermutung also recht, Özdemir.«
    »Eure Anschuldigungen sind schwerwiegend, Ibrahim. Habt ihr Beweise gegen ihn?«
    »Ja. Beweise und auch Zeugen, die gesehen haben, dass er in christlichen Häusern ein und aus geht.«
    »Zeugen? Das ist interessant«, sagte er und sah Rashid lange an.
    Rashid fühlte sich, als würde ihm jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Anscheinend hatte man ihn doch beobachtet , wie er zu Anne gegangen war. Irgendeiner der Kameraden hatte ihn gesehen und Ibrahim davon erzählt. Eine Information, die in diesem Augenblick Gold wert war. So konnte man den Spieß ganz leicht umdrehen und ihn zum Verräter stempeln.
    »Leg deine Waffe nieder, Rashid!«, rief Omar und gab zwei Männern einen Wink.
    Schweren Herzens legte Rashid seinen Säbel auf den Boden, dann schloss er die Augen, während die beiden Janitscharen ihn an den Armen packten und einen dicken Strick um seine Handgelenke und seinen Hals banden. Özdemir würde ihm kein Wort mehr glauben, dafür waren Ibrahims Lügen zu gut eingefädelt.
    »Was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte Omar und sah Rashid ein wenig ratlos an. »Soll er in den Kerker?«
    Ibrahim runzelte die Stirn, dann begannen seine Augen plötzlich zu funkeln.
    »Nein«, sagte er, »wir werden ihn hier richten, gleich an Ort und Stelle seines Verrats. Auf die Knie mit ihm!«
    Rashid wurde unsanft gestoßen und gezogen, bis er vor Ibrahim kniete. Er sah ihm ins Gesicht. Ibrahim konnte sein hämisches Grinsen kaum verbergen. Dann zog er seinen Säbel.
    »So, Rashid, sprich dein letztes Gebet«, sagte er leise. »Es ist fast schade. Du wirst mir fehlen. Du hast mir heute gleich mehrere Gefallen erwiesen.«
    »Nein, Ibrahim«, sagte Özdemir, trat zu dem Meister der Suppenschüssel und legte ihm die Hand auf den rechten Arm, mit dem er den Säbel hielt. »Ich wünsche in diesem Saal kein Blutvergießen. Dies gilt auch für ihn.« Er deutete auf Rashid.
    »Wie du willst, Özdemir«, sagte Ibrahim, doch er steckte nur zögernd seinen Säbel in die Scheide zurück. »Dann werden wir ihn jetzt in die Kaserne schaffen und …«
    »Nein«, unterbrach ihn Özdemir und schüttelte den Kopf. »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Aber warum …«
    »Dieser Bursche hat euch verraten. Was glaubst du, was deine Männer mit ihm anstellen werden, wenn sie davon erfahren ?«
    Ibrahim lachte hämisch. »Sie werden ihn in Stücke reißen.«
    »Eben. Wenn er aber ein Anhänger des Predigers ist, werden wir noch seine Aussage brauchen. Deshalb werde ich ihn in meinem Kerker gefangen halten und verhören lassen. Und danach wird er in einer ordentlichen Gerichtsverhandlung verurteilt .«
    Omar und Ibrahim warfen einander einen kurzen Blick zu. Rashid konnte ihnen deutlich ansehen, dass ihnen dieser Vorschlag nicht gefiel. Wahrscheinlich wäre es ihnen lieber gewesen , sie hätten ihn gleich an Ort und Stelle zum Schweigen bringen können.
    Ibrahim knirschte mit den Zähnen. »Nun gut«, sagte er schließlich. »Wenn du glaubst, dass du und deine Leute mit ihm fertig werden können …«
    »Sei unbesorgt, Ibrahim«, entgegnete Özdemir. »Such du in Ruhe alle Zeugen zusammen, die in der Verhandlung gegen ihn aussagen können.«
    »Wann wird die Verhandlung stattfinden?«
    Özdemir sah Rashid nachdenklich an. »Sobald wir das Verhör beendet haben«, antwortete er. »Und da niemand vorhersagen kann, wie stur und zäh der Bursche ist, kann ich dir noch keinen Zeitpunkt nennen. Vielleicht in vier oder fünf Tagen . Wir werden uns auf jeden Fall beeilen und euch Bescheid geben, sobald wir alle Informationen haben, die wir brauchen. Wachen!« Zwei Männer von Özdemirs Leibgarde erschienen. »Bringt den Gefangenen ins Verlies, und sperrt ihn in eine der Einzelzellen. Und kettet ihn dort gut fest.«
    Einer der beiden Wachen stieß Rashid mit einem derart heftigen Fußtritt in die Rippen zu Boden, dass er ein paar quälende Augenblicke lang keine Luft mehr bekam. Dann packten sie ihn, zogen ihn unsanft auf die Beine

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