Die Waechter von Marstrand
geraten, aber nachdem er die Liste gelesenhatte, kam er zu dem Schluss, dass Charlie selbst die schlechte Gesellschaft darstellte.
Er war der Brandstiftung verdächtigt, aber letztendlich nur wegen schwerer Sachbeschädigung verurteilt worden, nachdem er auf dem Schulgelände einen Geräteschuppen angezündet hatte. So ging es immer weiter. Robert las von einem Vergehen nach dem anderen und schüttelte bekümmert den Kopf. Vier Verurteilungen waren für einen eben erst Fünfzehnjährigen beachtlich. Sie würden sich mit Charlie unterhalten müssen. Wahrscheinlich war es am besten, ihn direkt auf Klöverö zu befragen und keine große Sache aus der Angelegenheit zu machen, indem sie ihn und Vendela ins Göteborger Polizeigebäude bestellten. Robert kam zu dem Schluss, dass er und Karin für diese Aufgabe vermutlich am geeignetsten waren. Er warf einen Blick auf die Uhr. Es war zu spät, um Karin anzurufen. Außerdem hatte Johan bestimmt irgendetwas geplant, um sie aufzumuntern. Er hatte etwas von einem Konzert gesagt.
Als sich das letzte Blatt aus dem Drucker schob, legte Robert alle Papiere zusammen und steckte sie in eine Klarsichthülle. Er konnte Karin auch morgen früh anrufen, um ihr zu sagen, dass sie sich den Weg in die Stadt sparen konnte. Jerker würde er auch anrufen und ihn fragen, welche Schlüsse er aus der Sache mit der Plumpsklotür gezogen hatte. Oder zumindest, was er für wahrscheinlich hielt. Aber auch das musste bis morgen warten.
Nottaufe
Agnes machte sich Sorgen. Lovisa lag seit zwei Tagen in den Wehen, und das Fruchtwasser war längst abgegangen,aber das Kind wollte offensichtlich nicht kommen. Nun schlief sie immerhin, sie brauchte ein bisschen Ruhe. Agnes riet der Hebamme, sich auch hinzulegen, sie selbst könne sich wach halten.
Es vergingen gute zwei Stunden, bis die Wehen mit einer solchen Wucht wieder einsetzten, dass Agnes die Hebamme weckte. Fünfunddreißig Minuten später war das Kind geboren, ein kleiner Junge. Er sah blass und mitgenommen aus, aber er lebte. Das Kind wurde gewaschen und eingewickelt, bevor man es der Mutter an die Brust legte.
»Trink, mein Kleiner«, redete die Hebamme ihm zu. Sie drückte einen Tropfen Milch aus Lovisas Brust und ließ den Jungen kosten.
Er hat keine Kraft, dachte Agnes. Auch für ihn war die Geburt eine Strapaze gewesen. Lieber Jesus, lass sie dieses Kind behalten, sie hat so viel durchgemacht. Noch ein Kind zu verlieren, würde ihr das Herz brechen. Und meins auch, fügte Agnes hinzu.
»Hast du Sahne im Haus?«, fragte die Hebamme.
»Ja, bestimmt.«
»Er braucht etwas im Magen, damit er in Gang kommt. Beim letzten Mal …«
»Beim letzten Mal durften wir das Mädchen acht Monate lang behalten. Das Kind davor war eine Totgeburt.« Agnes sprach leise und schüttelte dabei den Kopf. Es war besser, so wie sie und Oskar nur ein Kind zu bekommen, das überlebte, als immer wieder vergeblich zu hoffen. Agnes saß bei Lovisa im Erdgeschoss. Etwas hatte sie geweckt. Auf Zehenspitzen ging sie zur Wiege des Jungen. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Er lebte nicht mehr, das sah sie sofort.
Warum? Warum hatten sie dieses Kind nicht behalten dürfen? Sie sah durch das Fenster zum Himmel hinauf. Diesmal hatte sie versucht, ihre Sorgen vor ihrer Tochterzu verbergen, und die ganze Schwangerschaft war gut verlaufen. Lovisa hatte gestrahlt. Doch hiermit würde sie nicht fertig werden, es würde sie umbringen.
Vor dem Fenster rührte sich etwas. Beinahe hätte Agnes laut geschrien, als sie ein Gesicht an der Scheibe sah. Wer war das? Mitten in der Nacht? War etwas passiert? Sie dachte an Lovisas Mann, der auf Fischfang war. Nicht, dass sie ihn auch noch verlor. Sie legte den Jungen zurück in die Wiege, verließ so leise wie möglich die Kammer und legte sich ein Tuch um die Schultern, bevor sie hinausging.
Sie hörte ein Stöhnen.
»Ist da jemand?«
» Pardon .«
»Aleida?«, flüsterte Agnes.
Die Frau stöhnte erneut und stützte sich mit einer Hand an der Hauswand ab. Die andere hielt sie sich auf den Bauch. Agnes eilte zu ihr. Erst jetzt sah sie, dass die Frau schwanger war.
» Het kind . Ich glaube, es kommt.«
Agnes dachte fieberhaft nach. Sie sah sich um.
»Komm mit!« Sie führte Aleida zum Stall. Von dort aus rannte sie zurück zum Haus und holte Wasser und Decken. Hatte jemand gesehen, wie sie den Bremsegård verließ? In dem Fall würden sie bald nach ihr suchen. Aleida war so leise wie möglich, denn auch ihr war bewusst, wie
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