Die Waechter von Marstrand
aber nie bezahlten.
»Du meinst, er könnte Widells mit Kaffee versorgen?« Oskar kratzte sich am Kopf.
»Und im Gegenzug werden all seine Schulden gestrichen. Klar, das wäre durchaus möglich. Es fragt sich nur, ob Mauritz diese Geschäfte allein aushandelt, oder ob sein Vater eingeweiht ist.«
»Die Schmuggler sind keine kleinen versoffenen Diebe, sondern angesehene Kaufleute, die ein gut funktionierendesBestechungssystem innerhalb der Zollbehörde nutzen. Mein Vater erzählt oft von Niklas Kullberg, einem alten Kaperer, der zum Zollbeamten umgeschult hat. Da er aus eigener Erfahrung jeden Kniff kannte, konnte er jede geschmuggelte Ware aufspüren und beschlagnahmen. Nicht zuletzt war er vollkommen unbestechlich. Er war mit einem Mädchen aus Marstrand verheiratet, das Greta hieß. Die Marstrander Kaufleute haben sich zusammengetan, um ihn loszuwerden.«
»Und ist es ihnen gelungen?«
»Allerdings. Einer der Kaufmänner war gut mit dem Kommandanten von Carlsten befreundet, und so hat man ihn einfach ins Gefängnis gesteckt. Soweit ich weiß, sitzt er dort heute noch, aber seine Frau und die Kinder leben inzwischen in Stockholm.«
Es dauerte noch zwei weitere Tage, bis Agnes endlich allein aufstehen konnte. Die Sonne schien durch das Fenster herein, und Agnes genoss ihre Strahlen. Das bisschen, was sie aß, blieb auch in ihrem Magen, und endlich war auch der fiebrige Glanz aus ihren Augen gewichen. Sie und Oskar konnten sich stundenlang über die Arbeit in der Trankocherei und verschiedene Methoden unterhalten, mit denen man Fisch in Salz einlegte, räucherte oder trocknete. Agnes erzählte viel von ihrer Großmutter. Oskar beschrieb seine Kindheit auf Klöverö und berichtete, wie er zu dem Entschluss gekommen war, den Familienbetrieb zu übernehmen.
Mittlerweile hatte der Winter die Inseln fest im Griff, und der Sund rings um Klöverö und Marstrandsö fror zu.
Am Nachmittag trat Oskar in Robbenfellhose, schweren Stiefeln und einem Pelzmantel ein. Auf dem Kopf trug er eine Mütze. Agnes sah ihn verwundert an.
»Willst du mich nach Marstrandsö hinübersegeln?«, fragte sie leicht besorgt.
»Dafür bist du noch zu schwach. In einer Woche vielleicht. Nein, es geht um etwas anderes.«
Oskar half ihr beim Ankleiden. Mühsam zwängte sie sich in in Hemd und Hose und verzog vor Schmerzen das Gesicht, als Oskar versehentlich die Wunde berührte.
»Verzeih mir, meine Liebe. Wie geht es dir?«
»Gut«, log Agnes und registrierte, dass er sie seine Liebe genannt hatte.
Vorsichtig stand sie auf und ging auf wackligen Beinen zur Tür. Oskar holte sie ein und legte ihr behutsam den Arm um die Taille. Sie schaffte eine Treppenstufe, aber die Wunde tat so sehr weh, dass sie es nicht wagte, weiterzugehen. Oskar nahm sie auf den Arm und trug sie in die Eingangshalle. Als er mit ihr vor die Tür trat, schlug ihnen sofort die beißende Kälte entgegen.
»Ein Schlitten!«, rief Agnes entzückt.
»Aber sicher. Ich dachte mir, du könntest ein bisschen frische Luft gebrauchen. Dick eingemummelt in die Felle kann dir eine Schlittenfahrt nur guttun.«
Die Pferde schnaubten und scharrten ungeduldig mit den Hufen im Schnee. Oskar packte Agnes warm ein, griff nach den Zügeln, und dann ging es los über die Insel Klöverö. Der Schnee ringsherum glitzerte in der Sonne. Geübt lenkte Oskar den Schlitten. Nur beim Alten und Großen Moor unten an der Landzunge Korsvike war er vorsichtig.
»Das ist zu gefährlich«, sagte er. »Vielleicht versuchen wir es, wenn das Eis dicker ist, aber nicht jetzt. Dort unten liegt Grönvik und etwas weiter entfernt die Schnauze, das ist eine Bucht, die sich tief in die Insel hineingefressen hat. Dorthin gelangen wir besser von der anderen Seite, dann kannst du die ganze Bucht überblicken.«
Die Gestalt, die sich dem Schlitten näherte, schien aus dem Moor oder aus dem Wald oben auf dem Berg gekommen zu sein. Oskar hatte sie noch gar nicht bemerkt. Je näher der Mann kam, desto größer wirkte er, bis er wie ein Riese neben dem Schlitten stand und auf Agnes hinunterblickte.
»Oskar«, sagte Agnes.
»Sieh mal an, Oskar. Was hast du denn in der Korsvik zu erledigen?«
»Guten Tag, Daniel«, erwiderte Oskar.
Der junge Mann, den Oskar offensichtlich kann, musterte Agnes. Selten hatte sie einen so kräftig gebauten und breitschultrigen Mann gesehen. Die Ausmaße seines Körpers schienen ihm sogar das Gehen zu erschweren.
»Ich nehme an, das ist Agne Sundberg aus Widells Laden.«
Agnes
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