Die Waechter von Marstrand
bist.«
»Er ist unheimlich tüchtig!« Astrid nahm Vendela in den Arm.
Die Erinnerung brachte Vendela zum Lächeln. Sie trank den letzten Schluck Kaffee.
»Möchtest du noch mehr?«, fragte Astrid.
»Ja, gern, aber dann müssen wir anfangen, sonst schaffen wir überhaupt nichts.«
Vendela holte sich den ersten Stapel Papier vom Wohnzimmertisch und fing an zu lesen. Die meisten Unterlagen schienen den Kauf und Verkauf von Ackerstreifen zu dokumentieren, sie fanden jedoch nichts, was auf so unklare Eigentumsverhältnisse hindeutete, dass es einen Verkauf des Hofs hätte verhindern können.
»Hör dir mal dieses alte Nachlassverzeichnis an. Hier ist der Wert von allem, was sich auf dem Hof befand, aufgelistet. »Ein Fohlen im Wert von 16 Reichstalern, 60 Bohnenfässer im Wert von 150 Reichstalern. 3 Pferde wurden auf 150 Reichstaler geschätzt, 8 Kälber auf 86, ein Federbett für zwei Personen auf 20, 6 Milchflaschen, 8 Schüsseln und 2 Behälter aus Blech auf 11 Reichstaler.« Vendela blätterte weiter. Bis zum kleinsten Teelöffel war alles verzeichnet und geschätzt worden.
Um halb sechs rief Charlie an, um zu fragen, was sie da trieben.
»Ich muss nach Hause«, sagte Vendela.
»Das verstehe ich, aber ich mache noch ein bisschen weiter.« Astrid legte noch einen Bogen Papier zur Seite.
»Soll ich einen Stapel mitnehmen und zu Hause durchsehen?«
»Nein, sieh lieber zu, dass du Jessica und Rickard auf andere Gedanken bringst. Und grüß Charlie von mir.«
Astrid stand auf und stattete dem Plumpsklo einen Besuch ab. In der Zwischenzeit raste Vendela in die Küche und wusch in einem Irrsinnstempo das Geschirr ab. Als Astrid zurückkam, stand bereits alles im Abtropfständer.
»Vielen Dank für das gute Essen, liebe Astrid. Machen wir morgen weiter?«
»Gern. Du weißt ja, wo du mich findest.« Astrid drückte sie noch länger und fester als sonst. Keine von beiden sagte etwas. Wehmütig schloss Vendela die Tür und ging zum Bremsegård hinüber. Der Verkauf hatte vor über fünfzig Jahren stattgefunden. Es war höchst unwahrscheinlich, dass sie noch etwas finden würde, was die Situation veränderte.
Morgen rufe ich in Göteborg an und erkundige mich, was meine Wohnung wert ist. Vielleicht sollte sie es auf diese Weise versuchen. Tief im Innern fragte sie sich jedoch, welche Bank Geld an eine alleinstehende Krankenschwester verleihen würde. Doch, vielleicht, wenn der Bremsegård als Sicherheit diente. Rickard und Jessica ihre Hälfte des Hofs abzukaufen, war das eine, aber die Finanzierung des täglichen Lebens durfte nicht vergessen werden. Sie wusste, dass es nicht funktionieren würde. Ihre einzige Möglichkeit war, Jessica und Rickard zu fragen, ob sie das Geld in langfristigen Raten annehmen würden. Vielleicht konnte sie den Bremsegård wochenweise vermieten oder im Sommer Bed and Breakfast anbieten?Sie dachte an die vielen Zeitschriftenreportagen, die sie über Menschen gelesen hatte, die ihr stressiges Stadtleben hinter sich gelassen hatten, um auf das Land zu ziehen. Oft hatten sie jedoch vorher ein Haus oder ein Unternehmen verkauft und verfügten daher über ein gewisses Kapital. Oder der Umzug fiel in eine sorgfältig geplante Elternzeit.
Hochzeit in der Kirche von Marstrand
Am Tag zuvor war sie mit ihrem Vater hinübergesegelt, um im Pfarrhaus auf Marstrandsö zu übernachten. Abgesehen von ihrem großen Bruder Nils war die schönste Überraschung, dass Josefina den weiten Weg von Näverkärr nach Marstrand zurückgelegt hatte. Sie brachte die perlenverzierten Haarspangen ihrer Mutter und die reparierte Brauttruhe mit. Zärtlich nahm sie Agnes in den Arm. Die Frau des Pastors ließ sie einen Moment allein.
»Erzähl!«, sagte Josefina. Agnes ließ sich das nicht zweimal sagen. Immer wieder den Kopf schüttelnd, hörte Josefina gespannt zu. Sie riss abwechselnd die Augen auf und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Das Fräulein Agnes ist wirklich mutig«, resümierte sie.
Den ganzen Vormittag über war Wasser erhitzt und zum Badebottich geschleppt worden. Wohlig ließ Agnes sich hineinsinken. Josefina zupfte Lavendelblüten ab und gab sie ins Wasser. Der Duft der lilafarbenen Pflanze breitete sich im ganzen Zimmer aus.
»Es war gut, dass Oskar gekommen ist. Seit das Fräulein uns verlassen hat, war der Hausherr nicht mehr er selbst. Als wir erfuhren, was auf Vese passiert war, wurden wir richtig unruhig. Es wusste ja niemand, wo dasFräulein Agnes war. Dein Vater ist jeden
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