Die Waechter von Marstrand
sauerstoffarm ist und einen niedrigen pH-Wert hat. Da fühlen sich Bakterien und Pilze nicht wohl, und Leichen bleiben gut erhalten, anstatt zu verwesen. Wie der Trollundmann in Dänemark.«
»Derjenige, der das getan hat, ist also schon lange tot und begraben?«, fragte Robert.
»Ja, aber ich frage mich trotzdem, was passiert ist. Ihr nicht?«
Da Jerker schwieg, ergriff Robert das Wort:
»Eine Mutter flieht mit ihrem kleinen, vielleicht schon toten Jungen auf dem Arm, wird aber eingeholt und erschlagen.Anfang des neunzehnten Jahrhunderts verschwindet sie hier in diesem Moor. Müsste nicht irgendjemand sie vermisst haben?«
»Das sollte man meinen.«
»Ich werde der Sache nachgehen und mich erkundigen, ob hier in dieser Zeit jemand verschwunden ist. Vielleicht steht es ja in den Kirchenbüchern. Wenn man Glück hat, gibt es einen Eintrag vom Pastor. Hier draußen müsste der Pastor auch Hausbesuche gemacht haben, aber wer weiß, ob die alten Listen der Hausbewohner aufbewahrt wurden. Oder glaubt ihr, dass solche Dokumente zentral verwaltet wurden? Wo findet man so was?« Karin richtete die Frage an beide Kollegen.
»Keine Ahnung.« Robert zuckte die Achseln, aber Karin sah ihm an, dass der Fall und das, was sie eben erfahren hatten, ihm an die Nieren ging. »Es wäre schön, wenn man zumindest wüsste, wer die beiden waren, damit man ihre Namen auf den Grabstein schreiben kann. Vielleicht können sie auch zusammen mit ihren Verwandten beerdigt werden.« Robert räusperte sich.
»Es ist nicht gesagt, dass genug Zeit war, um den Jungen zu taufen und ihm einen Namen zu geben. Er ist doch noch so klein«, sagte Jerker leise.
»Mit der Taufe hat man es genau genommen, glaube ich. Ihr habt doch bestimmt schon von Nottaufen gehört. Wenn man merkte, dass es schlecht um das Kind stand, wurde der Pastor gerufen, damit er es schnell taufte. Außerdem glaube ich, dass auch andere Personen die Taufe vornehmen konnten, wenn es ganz eilig war. Allerdings bleibt die Frage, wie sie hierhergeraten sind.«
Karin stand da mitten in der Natur auf Klöverö. Der grausige Fund ging ihr unter die Haut. Obwohl sich die Tat vor so langer Zeit ereignet hatte, empfand sie ein starkes Bedürfnis, der Frau und dem Kind Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Falls sie das konnte. Möglicherweisehatte vor langer Zeit jemand vergeblich nach den beiden gesucht. Niedergeschlagen ging sie an Bord des Polizeiboots.
Nordgård, Klöverö
Erst im Frühjahr 1800, sechs Jahre nach der Hochzeit, wurde Lovisa geboren. Das Mädchen war schmächtig, hatte aber rosige Wangen. Als sie auf die Welt kam, schrie sie wie eine Wahnsinnige und machte damit während ihres gesamten ersten Lebensjahrs weiter. Oskar hielt sie abends im Arm und versuchte, sie zu beruhigen. Ihre laute Stimme schien ihn nicht zu stören.
»Meine Kleine.« Er streichelte ihre Wange. »Meine Kleine.«
Er war anders als andere Väter. Agnes dachte an ihren Vater und ihre eigene Kindheit. Oskar trug Lovisa mit sich herum, redete mit ihr und zeigte ihr lauter Orte und Dinge. Im Sommer ließ er sie die Füße ins Salzwasser tauchen und hielt ihre Hände in den warmen Muschelsand. Immer wenn ihr Vater den Raum betrat, strahlte die Kleine und streckte die Ärmchen nach ihm aus.
Zum Herbstthing am 2. November 1802 – Lovisa war nun zwei Jahre alt – wurden drei Männer aus Klöverö vor das Amtsgericht geladen, darunter Daniel Jacobsson, weil sie mit ihren Schiffen ins Ausland gefahren waren und dort Branntwein gekauft und dann später verkauft hatten. Oskar schüttelte den Kopf. Agnes dachte an den Riesen, der während der Schlittenfahrt plötzlich vor ihnen stand und auch dabei gewesen war, als sie die Schmuggelware in Widells Magazin geschleppt hatten. Nach Klöverö kamendie Zollbeamten nie. Entweder sie waren bestochen worden, oder sie wagten es einfach nicht. Daniel Jacobsson erschien auch nie vor Gericht. Er musste stattdessen eine Strafe zahlen und erklärte, er würde beim nächsten Thing erscheinen. Das wurde jedenfalls behauptet.
»Ich glaube, da wird er auch nicht auftauchen«, sagte Oskar.
»Er war damals dabei, als wir Widells Schmuggelware an Land gebracht haben«, erinnerte ihn Agnes. »Damals waren jedoch noch mehr Männer an Bord, insgesamt waren es vier.«
»Du kannst davon ausgehen, dass viele Kaufleute in Marstrand und Göteborg auf die eine oder andere Weise ihre Finger im Spiel haben. Anders kann ich es mir kaum vorstellen. Es ist zu viel Geld im Spiel, um sich
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