Die Waechter von Marstrand
las und sich nicht entscheiden konnte.
»Darf ich den Himbeersirup nehmen?«, fragte er.
»Na klar«, sagte Astrid.
»Es ist aber nur noch eine Flasche da.«
»Der Saft ist zum Trinken da, und außerdem können wir ja neuen Sirup machen, wenn die Himbeeren reif sind.«
Charlie griff nach der Flasche und stieg hinauf.
Vendela hatte den Gartentisch abgewischt und Kissen auf die Stühle gelegt. Nun saßen sie zu dritt in der Sonne, aßen Butterbrote und tranken dazu Kaffee und eiskalten Himbeersaft.
»Hast du gestern noch etwas gefunden?«, fragte Vendela.
»Ich habe noch ein bisschen in den alten Büchern gestöbert, aber da ist wahrscheinlich nichts dabei, was uns hilft, den Verkauf zu verhindern.«
»Diese Idioten.« Charlie stellte sein Glas mit einem Knall auf den Tisch.
»Charlie«, sagte Vendela mit empörter Stimme.
»Ich finde, du hast recht, mein Junge«, sagte Astrid, »aber wir müssen diesem Verkauf unbedingt einen Riegel vorschieben. Hast du nicht eine Idee?«
Warum war Vendela nicht selbst auf die Idee gekommen, ihn zu fragen? Wahrscheinlich, weil sie nicht für möglich gehalten hatte, dass ihm etwas Nützliches einfiele oder er überhaupt alt genug wäre, die Tragweite des drohenden Verkaufs zu begreifen. Astrid hingegen glaubte an das Gute in Charlie, solange man ihr nicht das Gegenteil bewies. Sie hatte natürlich nicht erlebt, wie es war, wenn der Schulleiter anrief. Bei Vendela war es genau umgekehrt. Sie misstraute ihm mittlerweile, bis er sie davon überzeugte, dass er unschuldig war.
Charlie dachte nach.
»Eingelegter Strömling. Wir könnten eingelegten Strömling in den Abfluss und ins Badezimmer schütten und überall welchen verstecken. Alte Krabben stinken auch entsetzlich, die könnten wir mit Klebeband unter dem Esstisch befestigen. Den Keller sollten wir mit Wasser füllen, damit die Leute denken, es gäbe eine Überschwemmung. Es will doch niemand ein stinkendes Haus mit Wasserschaden kaufen.«
»Nicht schlecht.« Astrid nickte. Vendela stand der Mund offen.
»Anfangs würde das eventuell funktionieren, aber ich glaube, es werden sowohl Gutachter als auch Immobilienmakler eingeschaltet, und dann wird es schwierig. Sie werden die Sabotage bemerken. Wenn nicht sie, werden zumindest Rickard und Jessica uns durchschauen.«
»Jessica nicht, die ist zu beschränkt«, sagte Charlie. »Mama sagt, sie würde sie am liebsten umbringen.«
»Tja, da ist sie nicht die Einzige«, seufzte Astrid.
»Wir brauchen einen Auftragsmörder. Ich habe mal einen Film darüber gesehen. Wenn du mein Taschengeld erhöhst, kümmere ich mich darum.«
Vendela starrte ihren Sohn fassungslos an.
»Dir ist doch klar, dass Astrid und ich Witze machen, oder?«
Charlie stöhnte.
»Morgen werde ich mich jedenfalls erkundigen, was meine Wohnung wert ist«, fuhr Vendela fort.
»Unsere Wohnung? Willst du die etwa verkaufen? Wo sollen wir denn dann wohnen?« Charlie knallte sein Saftglas so fest auf den Tisch, dass Vendela befürchtete, es würde zerspringen.
»Ich habe nicht gesagt, dass wir sie verkaufen. Ich möchte nur wissen, was sie wert ist«, seufzte Vendela.
»Ich wünschte, wir hätten eine Million. Dann könnten wir ihnen das Geld geben und den Bremsegård behalten.« Charlie griff nach einem Wurstbrot.
»Eine Million reicht nicht, wir brauchen eher zwei«, sagte Vendela missmutig und versuchte, sich zu erinnern, für welche Preise die anderen Häuser auf der Insel verkauft worden waren. Fantasiepreise.
»Wir brauchen aber doch nur für den halben Bremsegård zu bezahlen, der Rest gehört uns ja schon, Mama.«
»Ja, aber auch das wird so teuer, dass wir es kaum schaffen.«
Astrid schüttelte den Kopf.
»Eigentlich ist es Wahnsinn. Ich glaube, jedes zweite Haus auf Koö und Marstrandsö ist an Städter verkauft worden, die nur im Sommer kommen, obwohl jemand aus der Familie hier bleiben wollte. Die Leute haben nicht das Geld, sich gegenseitig auszuzahlen, und wenn es um Geld geht, spielt es plötzlich keine Rolle mehr, dass man Bruder und Schwester ist.«
»Irgendwas müssen wir doch tun können«, sagte Charlie. »Mama?«
Vendela wollte am liebsten losheulen. Die ganze Situation erschien ihr so hoffnungslos.
»Wir müssen einfach hoffen, dass es eine Lösung gibt«, sagte sie schnell. »Astrid und ich gehen gerade alte Dokumente durch und sehen nach, ob wirklich ein Ackerstreifen fehlte, als dein Großvater Astrids Vater den Hof abkaufte. In dem Fall würde das Stück Land Astrid
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