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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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war, würde es noch schlimmer werden. Das Kreischen der Möwen und vor allem das Plätschern der Wellen, die sanft an die Stege und Boote stießen, wirkten beruhigend. Karin zog die Seekarte aus der Tasche und zeigte den anderen, wo sie sich befanden. Sie zeigte auch das Alte Moor auf der anderen Seite der Insel, weil Folke dort noch nicht gewesen war. Klöverö war groß, doch das Haus, zu dem sie jetzt wollten, war nicht weit entfernt. Sie betrachtete die schwarzen Rechtecke, mit denen die Häuser auf der Karte markiert waren.
    »Geht es mit den Schuhen, Jerker?«, fragte Karin. »Johan hat bestimmt noch die alten Sandalen an Bord, mit denen er manchmal baden geht.«
    »Ich probiere die Sandalen aus. Welche Größe hat er?«
    »Weiß nicht. Vielleicht 43?« Karin stand auf, holte die Schuhe aus dem kleinen Kleiderschrank und reichte sie Jerker.
    »Ach, das geht. Müssen wir weit laufen? Wir haben einiges zu schleppen. Ich habe zwar eine Sackkarre dabei, und ein kleines Stück schaffen wir schon, aber …«
    Karin dachte an die Wegbeschreibung, die sie bekommenhatte, und an Johans Worte. Doch, ein Weilchen würden sie laufen müssen. Eine Viertelstunde oder so.
    »Ich gehe mal fragen, ob man sich hier eine bessere Karre oder ein Lastenmofa ausleihen kann.«
Bremsegård, Klöverö
    Aleida schlief noch nicht. Draußen war es kalt, obwohl es schon Anfang Mai war. Der Regen prasselte auf das Ziegeldach des kleinsten Nebengebäudes des Bremsegårds, wo man sie gefangen hielt. Im Erdgeschoss wurden Geräte und das Brennholz aufbewahrt, das im Holzschuppen keinen Platz gefunden hatte. Oben wohnte sie. Aber nicht immer. Meistens wurde sie in andere Hütten, Schuppen, Keller und auf Dachböden verschleppt. Es gab so viele Ecken und Winkel, in denen man Diebesgut und eine geraubte Frau verstecken konnte. Wenn der Pastor dem Hof einen Besuch abstattete, war sie nie in der Nähe. Nicht, dass es etwas verändert hätte. Die Menschen gingen artig in die Kirche, aber wenn es darum ging, den Nächsten so zu lieben wie sich selbst, blickten sie verschämt zur Seite. Bei den seltenen Malen, wenn jemand ihr in die Augen sah, blickte ihr Mitleid, aber vor allem Angst entgegen.
    Ihr ganzer Körper erstarrte, als unten die Tür aufgeschlossen und wieder zugemacht wurde. Johannes bewegte sich leise, um niemanden zu wecken. Aleida begriff nicht, warum er das tat. Es wussten doch alle, dass sie hier war, aber niemand ließ sich etwas anmerken. Die Frau von Johannes hatte sicher durchschaut, warum er sie jetzt nachts in Ruhe ließ. Vielleicht war sie froh darüber.
    Johannes setzte sich auf ihre Bettkante. Er hatte eine starke Schnapsfahne und nasse Haare. Er und seine Männer waren am frühen Abend mit ihrem Boot zurückgekommen. Die Stimmung an Bord war gut gewesen, wahrscheinlich hatten sie wieder ein Schiff gekapert, dachte Aleida und fragte sich, wie viele Menschen diesmal ihr Leben hatten lassen müssen.
    Johannes räusperte sich.
    »Kaperei erfordert Mut und Entschlossenheit.«
    Das erste Wort war ihr vertraut, auf Holländisch klang es fast genauso. Kapern .
    »Der Augenblick ruft einem zu: Tod oder Leben! Man tötet nicht, um zu töten, sondern um sein eigenes Leben zu retten. Es dürstet einen nicht nach Blut, sondern nach dem Leben.« Er machte eine Pause und nickte sich selbst zu.
    Aleida hatte kein Wort verstanden.
    »Einmal habe ich eine holländische Schmacke überfallen, diese Art von Schiff wurde damals als Flöte bezeichnet. Der Holländer setzte alle Segel, aber ein Kaperer kann fliegen. Wir enterten sein Boot und lieferten uns einen Kampf ohnegleichen. Die anderen waren uns überlegen, und wir hätten die Schlacht nie gewonnen, wenn ich mich nicht persönlich auf den Kapitän gestürzt hätte. In solchen Situationen gibt es kein Pardon. Man darf nicht zögern. Entweder siegen oder sterben.«
    Johannes verstummte. Aleida sah ihn verständnislos an. Geh jetzt, dachte sie. Steh auf und geh. Lass mich in Frieden. Johannes erhob sich und knöpfte sich die Hose auf. Dann hob er ihre Decke und legte sich auf sie.
    Tulpen. Im Garten der Königin blühten jetzt bestimmt die Tulpen, dachte Aleida. Auf dieser Insel gab es keine Tulpen, sie hatte nicht eine einzige gesehen, nicht einmal in den Gärten. Blutrote Pfingstrosen wuchsen an einer Stelle, aber erst im Sommer, und sie gefielen ihr längstnicht so gut wie Tulpen. Sie liebte es zu beobachten, wie die grüne Spitze die Erdkruste durchbrach und sich langsam zum Himmel reckte.

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