Die Waechter von Marstrand
Kartoffeln mehr. Vielleicht ist sie zu Astrid hinübergegangen, um sich welche auszuleihen. Astrid baut ihre eigenen Kartoffeln an.« Vendela versuchte, sich zu erinnern, welche Worte gefallen waren, bevor sie das Gartentor geschlossen und sich mit Charlie auf den Weg gemacht hatte.
»Gab es Streit? Es klingt fast so«, sagte Karin.
»Das kann man wohl sagen. Rickard und ich haben den Bremsegård von unserem Vater geerbt. Jessica und Rickard haben uns vor kurzem mitgeteilt, dass sie den Hof verkaufen wollen. Ich möchte ihn gern behalten, Astrid natürlich auch. Und Charlie, mein Sohn. Jessica hatte alte Urkunden herausgekramt, die den Hof betreffen, und dabei hat sich herausgestellt, dass sich unser Brunnen auf einem Ackerstreifen befindet, der noch Astrid gehört. Es gab also in der Tat einen Konflikt.«
»Kannst du dir vorstellen, dass jemand Jessica auf dem Klo eingesperrt hat?«
»Mit Absicht, meinst du? Nein, wirklich nicht.« Während sie das sagte, musste sie an Astrid denken. Um ehrlich zu sein, war sie sich nicht sicher, wozu Astrid fähig war, wenn es darum ging, den Verkauf des Hofs zu verhindern. Auch Charlie war unheimlich aufgewühlt gewesen. Aber dass einer von beiden bewusst Jessicas Tod in Kauf nahm – undenkbar.
»Wo warst du heute Nachmittag?«
»In der Schnauzenbucht in Karlsholm. Charlie und ich wollten baden.«
»Zusammen?«
Vendela nickte. Charlie war jedoch früher gegangen. Wo war er abgeblieben?
»Wann hast du Jessica zuletzt gesehen?«
»Bevor Charlie und ich baden gingen, standen wir alle vier zusammen und haben uns unterhalten oder, besser gesagt, gestritten. Ich habe Jessica erklärt, dass es schwierigwird, ein Grundstück ohne Brunnen zu verkaufen. Dann sind Charlie und ich gegangen. Danach habe ich nicht mehr mit ihr gesprochen.«
»Und der Brunnen gehört Astrid Edman, die hier wohnt. Könnte sie hierhergekommen sein, um mit Astrid darüber zu sprechen?«
»Es würde mich nicht wundern, aber da fragst du besser Rickard, meinen Bruder.«
»Um welche Uhrzeit ist das alles passiert?«, fragte Karin.
»Gegen 13 Uhr 30. Ungefähr jedenfalls. Hier draußen guckt man ja nicht dauernd auf die Uhr.«
»Dann bist du mit deinem Sohn baden gegangen. In die Schnauzenbucht. Das ist ja ein ganzes Stück zu laufen.«
»Kennst du die Bucht?«
»Ich bin Seglerin und lege dort manchmal an.«
»Ach so. Ja, dorthin sind wir gegangen, um zu baden. Charlie wollte früher zurück. Als ich den Hubschrauber sah, habe ich mir Sorgen gemacht. Ich dachte, es wäre etwas passiert. Deshalb bin ich schnell zurück zum Haus gelaufen …«
»Zu eurem Haus?«
»Zum Bremsegård, genau, aber es war niemand zu Hause, und deshalb bin ich hierhergerannt. Kurz bevor ich ankam, sah ich den Hubschrauber wegfliegen.«
»Und Charlie, dein Sohn?«
»Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe, wo er ist. Er könnte einen Spaziergang oder eine Bootsfahrt unternommen haben. Vielleicht steht er auch irgendwo mit seiner Angel. Man hat hier keinen Handyempfang, und falls die Leute sich nicht in der Nähe ihres Festnetztelefons aufhalten, kann man sie überhaupt nicht erreichen. Auf den Landzungen oder an der äußersten Kante der Insel hat man manchmal Empfang, aber in der Regel nicht.«
»Was wird nach Jessicas Tod aus dem Verkauf des Bremsegårds?«
»Das weiß ich nicht. Da musst du meinen Bruder fragen. Oder warte damit lieber noch ein bisschen. Er ist nicht so belastbar, wie er aussieht.«
»Okay. Wenn dir nichts mehr einfällt, bin ich fertig, glaube ich. Ich würde jedoch unheimlich gern noch mit Charlie reden.« Karin reichte Vendela ihre Visitenkarte.
»So bald als möglich. Du kannst natürlich dabei sein. Ruf mich jederzeit an. Ich wohne auf meinem Segelboot, das momentan in der Blekebucht auf Koö liegt.
»Ach«, staunte Vendela. »Das ganze Jahr über?«
»Ja, tatsächlich.«
»Manchmal frage ich mich, wie es wäre, das ganze Jahr über hier auf dem Bremsegård zu wohnen.«
»Das ist sicher überhaupt kein Problem.«
»Mit einem Fünfzehnjährigen?«, fragte Vendela skeptisch.
»Ich habe keine Kinder, aber warum nicht? Es gibt doch noch mehr Fünfzehnjährige in Marstrand.«
Während Vendela mit Karin die Treppe hinunterging, rasten ihre Gedanken wild durcheinander. Vielleicht war es dumm von ihr gewesen, Karin zu erzählen, dass sie von einem Leben auf dem Bremsegård träumte. Vor allem, da die Polizistin offenbar glaubte, dass jemand Jessica auf dem Plumpsklo eingesperrt hatte. Doch
Weitere Kostenlose Bücher