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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Herzen wusste ich, wo der Ziegenmann Tom hingebracht hatte.
    Als ich an Moses Hütte vorbeirannte, sah ich oben im Wald das Vorderteil eines Autos zwischen den Büschen hervorstehen, der Rest war hinter dem Gestrüpp verborgen. Für einen Moment dachte ich, es könnten Mama und Daddy sein, aber ein kurzer Blick zeigte mir, dass es nicht ihr Auto war. Es war ein Lieferwagen. Es war auch völlig egal. Es könnte jemand sein, der mit einem Boot unten den Fluss entlangfuhr, einen nächtlichen Ausflug machte, oder jemand, der Opossums oder Waschbären jagte.
    Ich drehte mich um und lief auf den Weg zurück zur Schwingenden Brücke, an der Rückseite der Hütte vorbei. Ich sah, dass wieder etwas an dem Nagel hing, etwas, das meine Aufmerksamkeit fesselte. Es war eine Hand. Und die Ansätze eines Handgelenkes. Etwas Helles baumelte an der Hand.
    Meine Knie wurden weich. Tom. O Gott. Tom.
    Ich ging langsam näher heran und beugte mich vor. Erleichtert stellte ich fest, dass die Hand zu groß war, um Toms Hand zu sein. Sie war ziemlich verwest, nur noch wenig Fleisch hing daran. Im Schatten hatte sie ganz ausgesehen, aber das war sie nicht. Die vermoderte Hand steckte noch in der Hälfte ihres Handgelenks, und sie hielt eine schmale Kette; die Kette war um die knöchernen Finger drapiert, und in der halb geöffneten Handfläche, auf einem Fleck verdunkelten Fleisches, sah ich, was an der Kette hing: eine durch einen Pistolenschuss verbeulte Münze.
    Taylors Münze.
    Ich fragte mich, wie das mit dem Ziegenmann in Verbindung stehen, wie alles zusammenhängen könnte, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.
    Während ich mich umdrehte, riss ich das Gewehr hoch, aber eine andere Hand schnellte hoch und nahm es mir weg.
    Ich sah direkt in das Gesicht des Ziegenmannes.
    *
    Der Mond kam hinter einer Wolke hervor, und das Licht fiel in seine Augen. Sie funkelten in seinem rötlich-schwarzen Gesicht wie Smaragde. Sie hatten die gleiche Farbe wie Moses Augen. Der Ziegenmann machte ein leises grunzendes Geräusch und tätschelte meine Schulter. Ich sah, dass seine Hörner überhaupt keine Hörner waren, sondern ein alter, dunkler, vergammelter Strohhut mit einem großen Loch vorne, als hätte jemand ein Stück davon abgebissen, und die ausgefransten Ränder des Loches hatten sich aufgestellt, mit der Zeit, dem Wind, dem Regen.
    Es war nur ein Strohhut. Ein verfluchter Strohhut. Es waren gar keine Hörner.
    Und die Augen. Die Haut. Moses Augen. Moses Haut.
    In diesem Augenblick wusste ich es. Der Ziegenmann war kein Ziegenmann. Er war Moses Sohn, der nicht ganz richtig im Kopf war und von dem man glaubte, er sei tot. Er hatte die ganze Zeit hier in den Wäldern gelebt, Mose hatte sich um ihn gekümmert, und im Gegenzug hatte sein Sohn versucht, sich um ihn zu kümmern, indem er ihm Geschenke brachte, die er im Fluss gefunden hatte – und er tat es immer noch, obwohl Mose tot war. Er war nur ein großes stummes Kind im Körper eines Mannes, das durch die Wälder streifte, abgetragene Kleider trug und Schuhe mit Sohlen, die schlappten.
    Der Ziegenmann drehte sich um und zeigte auf den Fluss. Ich wusste jetzt, dass er niemanden umgebracht und Tom nicht in seiner Gewalt hatte. Er war gekommen, um mich zu warnen, um mich wissen zu lassen, dass jemand Tom entführt hatte. Und jetzt zeigte er mir den Weg. Ich wusste es einfach. Ich hatte keine Ahnung, wie er an die Hand gekommen war oder an Dr. Taylors Kette mit der Münze, aber ich wusste, dass der Ziegenmann niemanden getötet hatte. Er hatte unser Haus beobachtet; vielleicht hielt er sich selbst für ein Kind. Vielleicht war er in seinem Kopf nicht einen Tag älter geworden. Das, was uns vorhin vom Waldrand aus zugesehen hatte, war kein Opossum gewesen, sondern der Ziegenmann. Er war im Wald gewesen, er hatte gesehen, was mit Tom passiert war – und jetzt versuchte er, mir zu helfen.
    Ich rannte zurück zum Boot und versuchte erneut, es aus dem Sand zu ziehen. Der Ziegenmann folgte mir, legte das Gewehr in das Boot, fasste am Heck des Bootes mit an, und zusammen zogen wir es aus dem Sand und in den Fluss.
    Ich fiel mit dem Ziegenmann ins Wasser. Er packte mich plötzlich, setzte mich ins Boot und schob es hinaus in den Fluss, bis es gut in der Strömung lag.
    Ich sah, wie er zurück zum Ufer watete. Dann stand er vor der Hütte und sah mir nach, wie ein trauriger Freund, der seinen Spielkameraden wegfahren sieht. Der Wind schnappte nach seinem alten Hut und riss an seinen Kleidern,

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