Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
Zeit lang tot, und er ist zurückgekommen, um seine Spielchen mit ihr zu treiben. Wie ein Alligator, der seine Beute vergräbt und wiederkommt, wenn sie reif ist.«
»Niemand würde das tun.«
»Als Jack Newman im Suff seinen Schwager erschossen hat und fünfzehn Zeugen drumherum standen, gab es keinen Zweifel. Aber das hier … ich weiß nicht. Ich habe so was noch nie gesehen. Ich habe so meine Vermutungen, aber das ist auch alles. Ich hoffe, Dr. Tinn bringt ein bisschen Licht in die Sache.«
Eine Weile war es still, dann sagte Mama: »Ich bin nicht wirklich in der Stimmung, nach dieser kleinen Gute-Nacht-Geschichte, die du mir da erzählt hast … tut mir leid, Liebling.«
»Entschuldige«, sagte Daddy. Dann war es völlig still. Ich verkroch mich unter meiner Decke, überwältigt von etwas, das ich nicht benennen konnte. Angst. Aufregung. Einem unlösbaren Geheimnis. Sie hatten von Dingen gesprochen, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie existierten oder passieren könnten. Ich beschloss, morgen sehr früh aufzustehen und Daddy zu überreden, mich nach Pearl Creek mitzunehmen. Ich fand, das war er mir schuldig. Schließlich hatte ich die Leiche gefunden.
Ich lag da, zusammengerollt. Es begann leise zu regnen, dann stärker. Das Geräusch des Regens half mir einzuschlafen.
*
»Kommt nicht in Frage.«
»Aber, Daddy …«
»Nichts da, du bleibst hier.«
Der Morgen war gerade erst angebrochen. Ich hatte kaum geschlafen, aus Angst, nicht rechtzeitig wach zu sein, um mit Daddy über die Fahrt nach Pearl Creek zu verhandeln. Aber ich war kein bisschen müde; ich platzte fast vor Energie und Aufregung. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich Mama und Daddy durch die Wand hindurch reden gehört hatte – ich hatte Daddy unschuldig nach seinen Plänen für den heutigen Tag gefragt, und als er »Pearl Creek« sagte, fragte ich: »Warum denn Pearl Creek?«, und er erklärte mir, dass er sich dort mit einem Doktor treffen wolle wegen der Frau, die ich im Wald gefunden hätte. Dann fragte ich ihn, ob ich mitkommen dürfe.
»Ich werde auch bestimmt keinen Ärger machen«, sagte ich.
»Das kann schon sein. Aber du gehörst da wirklich nicht hin. Das ist nichts für Kinder.«
Wir saßen am Tisch. Daddy aß zwei Eier, die Mama gebraten hatte. Er sog das Eigelb mit Biskuits auf. Ich aß dasselbe und trank ein Glas Buttermilch dazu, das Mama mir eingeschenkt hatte. Sie hielt die Buttermilch kühl, indem sie die verschlossene Flasche den Brunnen hinunterließ und hochholte, wenn wir ein Glas wollten.
Ich frühstückte schnell, weil ich fürchtete, Tom würde bald aufwachen. Damals waren wir alle Frühaufsteher. Wenn Tom erst wach wäre und rausgefunden hätte, was ich von Daddy wollte, hätte ich verloren – sie würde dann natürlich auch mitkommen wollen, und wenn Daddy mich nicht dabeihaben wollte, dann erst recht nicht Tom. Es fiel ihm leichter, uns beiden etwas zu verbieten, als einem von uns etwas zu erlauben, wenn wir beide das Gleiche wollten.
Natürlich hatte Daddy bereits Nein gesagt, aber ich hatte gelernt, dass Nein nicht immer Nein hieß, jedenfalls nicht am Anfang. Als Daddy allerdings das dritte Nein aussprach, wusste ich, dass es das Beste war, ab jetzt den Mund zu halten.
Mama schenkte Daddy Kaffee nach und sagte: »Jakob, er hat die Leiche doch schon gesehen. Warum nimmst du ihn nicht einfach mit? Er muss sie ja nicht noch einmal sehen.«
Das entsprach nicht so ganz meinen Vorstellungen, aber wenn ich Daddy dazu kriegen würde, dass er mich mitnahm, hatte ich einen Fuß in der Tür, und das war immerhin schon mal was.
Daddy seufzte. Er sah Mama an. Sie lächelte ihm zu. »Ich weiß nicht«, sagte er, »er sollte dir doch eigentlich bei der Arbeit helfen.«
»Heute Vormittag ist nicht viel zu tun. Ich übernehme das für ihn. Ich und Tom.«
»Tom wird sich bedanken«, sagte Daddy.
»Nimm ihn einfach mit. Es wird ihm nicht weh tun, zu sehen, was sein Daddy so macht.«
Mama stand hinter ihm und hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt. Sie sah mich an und zwinkerte mir fast unmerklich zu.
Daddy schwieg, und das hieß, dass er vor einer Entscheidung stand wie vor einer Hürde. Mama sagte nichts mehr, und ich wusste, dass es in solchen Situationen das Beste war, ebenfalls zu schweigen und abzuwarten. Wenn er schwieg, hieß das, dass seine Entscheidung noch nicht felsenfest stand, sondern er die Dinge erneut abwog. Es war jetzt wieder alles drin. Wenn seine Entscheidung allerdings zu meinen
Weitere Kostenlose Bücher