Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
nur im Geschäft ausbezahlt werden konnten. Es war eine Art Sklaventum auf Lohnbasis.
Das Land, auf dem Pearl Creek stand, war früher bewaldet und sumpfig gewesen, und obwohl man es gerodet und in eine brauchbare Stadt verwandelt hatte, war es immer noch matschig, und die Moskitos liebten diesen Ort. Daddy behauptete, es gebe dort Mücken, die so groß waren, dass sie einen ganzen Mann schultern, verspeisen und seine Schuhe auftragen könnten.
Wir überholten an diesem Tag kein Auto – es gab davon nicht viele in dieser Gegend und zu dieser Zeit –, wir überholten nur ein paar Männer auf Pferden, einen Jungen, der zu Fuß unterwegs war, und drei Pritschenwagen, die von Maultieren gezogen wurden.
Unser Auto war wie ein rollender schwarzer Käfer, der in der Sonne gebraten wurde, und als wir über die wackelige Brücke fuhren und das sumpfige Pearl Creek erreichten, waren wir schweißüberströmt und sehr durstig. Unsere Kleider klebten am Körper.
Wir hielten vor dem Geschäft. Es war ein lang gestrecktes Gebäude aus Holz mit einem geteerten Dach. Wir stiegen aus und gingen zu der öffentlichen Wasserpumpe. Das war der einzige Ort in der Stadt, wo man fließendes Wasser kriegen konnte, abgesehen vom Fluss, in dem der Müll vom Sägewerk und wer weiß was sonst noch schwamm. Es gab auch noch ein paar Nebengebäude direkt am Flussufer, und obwohl es viele gab, die sagten, solang das Wasser noch fließt, kann es mit dem Schmutz darin nicht weit her sein, verbot mir Daddy, aus dem Fluss zu trinken.
»Da sind Dinger drin, die Mikroben heißen, Harry«, sagte er, »sie hängen am Ufer und im Flussbett, auf den Steinen und so, sie sind im Wasser, und wenn du es trinkst, sind sie in dir und machen dich krank. Ich hab so eine Mikrobe zwar noch nie gesehen, aber ich bin sicher, dass sie da drin sind, kleiner als eine Zecke, sogar kleiner als ein Samenkorn.«
Die Vorstellung, dass sie mikroskopisch klein sein konnten, ging über Daddys Fassungsvermögen. Er wusste, dass sie klein waren, aber nicht so verteufelt klein.
Daddy betätigte die Pumpe für mich. Ich hielt meinen Kopf in den Wasserstrahl und wusch meine Hände und Arme. Dann pumpte ich, und Daddy war dran. Als er fertig war, nahm er einen Taschenkamm, kämmte sich das Wasser aus seinen kurzen schwarzen Haaren, scheitelte sie sorgfältig und gab dann mir den Kamm. Ich fuhr mir kurz damit durch die Haare und gab ihn Daddy zurück. Wir gingen in das Geschäft.
»Dann können wir uns auch ’ne Limo leisten«, sagte Daddy.
Das war genau das, was ich hören wollte.
Der Laden war das Zentrum von Pearl Creek, wie in allen Städten mit Sägewerk, besonders in solchen, in denen fast nur Farbige wohnten. Texas war immer langsam, wenn es darum ging, etwas zu etablieren, was alle anderen bereits hatten. Ich kann mich nicht erinnern, dass es vor den vierziger Jahren irgendwo außerhalb der Städte Elektrizität gegeben hätte; nicht mal in allen Städten gab es sie. In Marvel Creek gab es Elektrizität, aber nicht überall, und in den umliegenden Dörfern erst viele Jahre später.
Das staatliche Elektrizitätswerk spannte die Drähte von Haus zu Haus – allerdings wurden die Häuser der Farbigen übersprungen. Einige Farbige bekamen erst ein oder zwei Jahre später als alle anderen Elektrizität, und manche nie. Wenn Ost-Texas ganz unten auf der Liste derer war, die nach und nach durchsetzen, was für andere fast schon selbstverständlich war, dann bekamen die Farbigen in Ost-Texas es noch später als die Weißen, und meistens auch nur eine mangelhafte Version davon. Lincoln hatte die Sklaven zwar befreit, aber die Lebensbedingungen der Farbigen zu dieser Zeit unterschieden sich nicht großartig von der Zeit vor dem Bürgerkrieg.
Pappy hatte einen gut gehenden Laden. Es gab fast alles, was man brauchte: Lebensmittel, Möbel, Stoffe für Gardinen und Kleider, Eisenwaren, Kerzen, Seife, Haaröl, Kohlen und Benzin. Ich liebte es, durch den Laden zu gehen und die verschiedenen Gerüche einzuatmen.
Pappy Treesome stand hinter dem Tresen, als wir hereinkamen, trank eine Cola und aß eine dicke Scheibe grober Wurst. Er grinste, als er Daddy sah. Ohne Zähne und mit dem Mund voller Wurst bot er keinen besonders schönen Anblick. Ich hatte Mäuler mit Stoßzähnen gesehen, die ansprechender wirkten.
Daddy kannte Pappy bereits sein ganzes Leben lang. Er hatte ihn schon gekannt, bevor er die Farbige heiratete. Sie hieß Camilla und war eine große, ziemlich dicke Frau,
Weitere Kostenlose Bücher