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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Ungunsten ausfallen würde, konnte ich betteln und jammern, soviel ich wollte – wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hatte, konnte ich’s vergessen. Diese Hürde würde ich nicht nehmen können.
    Daddy trank seine zweite Tasse Kaffee aus, und Mama schenkte ihm eine dritte für den Weg ein. Daddy sah mich an, schürzte die Lippen und sagte: »Also gut. Du kannst mitkommen. Aber du gehst nicht mit hinein. Du tust überhaupt nichts außer mit mir hin- und zurückzufahren, damit das klar ist. Ist das klar?«
    »Ja, Sir«, sagte ich.
    Mama schmierte mir ein großes Biskuit, wickelte es in einen Lappen, den wir als Geschirrtuch benutzten, und gab mir ein weiteres Glas Buttermilch mit auf den Weg. Wir setzten uns in den Ford, Daddy ließ ihn an, und los ging’s.
    Es war aufregend, mit dem Auto zu fahren. Wir benutzten es nicht oft. So sparten wir Benzin und schonten den Motor, sagte Daddy. Außerdem kam man meistens da, wo wir hinwollten, nicht mit dem Auto durch, man musste zu Fuß gehen, reiten oder den Pritschenwagen nehmen. Aber das hier war ein besonderer Tag. Nicht nur, dass die Straße nach Pearl Creek in Ordnung war – ich ging mit Daddy auf eine Entdeckungsreise.
    Die Sonne schien bereits sehr hell, als wir aus dem Hof fuhren, und während Daddy fuhr und gleichzeitig versuchte, seinen Kaffee zu trinken, aß ich mein Biskuit, und zum ersten Mal fühlte ich, dass ich dabei war, eine Grenze zu überschreiten; die Grenze vom kleinen Jungen, der ich war, zu dem Mann, der ich sein würde.
    *
    Unsere Fahrt war eine ziemlich matschige Angelegenheit, einige Male wären wir fast stecken geblieben, aber schließlich kamen wir in Pearl Creek an.
    Pearl Creek war wirklich ein Creek, ein Fluss, und sein Bett war reich an weißem Kies und perlfarbenem Sand. Das Flussufer säumten alte, fantastische Hickorybäume und Eichen, knorrige Trauerweiden mit tief herabhängenden Zweigen und faustgroßen Wurzeln, die sich wie Schlangen über dem Boden wölbten, als wollten sie etwas beschützen. Auf der einen Seite des Flusses war die kleine Stadt Pearl Creek, die nach ihm benannt war. Um von unserer Seite hinüberzukommen, musste man eine schmale Brücke aus Holzlatten überqueren; die Latten knirschten unter den Autoreifen, Pferdehufen und Pritschenwagenrädern, als würden sie unter einem zerbersten.
    In Pearl Creek lebten nur Farbige, bis auf den alten Pappy Treesome, dem das Sägewerk zwar nicht gehörte, das er aber mit seinen Söhnen betrieb, ihm gehörte hingegen zusammen mit seiner Frau die Post und der Gemischtwarenladen.
    Pappy hatte eine Farbige geheiratet, war daraufhin von der weißen Gemeinde ausgeschlossen, von den Farbigen aber akzeptiert worden. In früheren Jahren hatte ihm einmal der Klan aufgelauert, als Pappy gerade in die Stadt ritt. Sie hatten ihn von seinem Pferd gestoßen, ihn ausgezogen und geschlagen, seine Haare abgeschnitten, ihn geteert und gefedert, sein Pferd erschossen und ihn auf einen Balken gebunden. Den Balken hatten sie zwischen zwei Fenster ihrer Autos gelegt und waren zurück in die Stadt gefahren; vor seinem Geschäft hatten sie Pappy hinuntergeschmissen.
    Gerüchte behaupteten, Pappy sei nur nicht gelyncht worden, weil er einen Verwandten im Klan hat. Wie auch immer, der Klan hatte jedenfalls befunden, Prügel, Teer und Federn seien genug. Pappy lebte unbeirrt weiter mit seiner farbigen Frau zusammen, und der Klan ließ ihn in Ruhe.
    Pappys Kinder waren fast so weiß wie er. Man sagte, seine Tochter sei auf die andere Seite gewechselt und in den Norden gezogen. Die anderen waren zwar ziemlich hellhäutig, aber nicht weiß genug, und es waren allesamt Jungs: James, Jeremiah und Root. Zwei waren nach der Bibel benannt, und Root hieß eigentlich William. Man sagte, er habe seinen Spitznamen ›Rübe‹ wegen der Länge seiner – na ja, Ausstattung. Er war geistig verwirrt und bekannt dafür, dass er sich hier und da entblößte. Er tat das nicht aus Bösartigkeit oder Angeberei, er mochte sein Ding einfach sehr, spielte gern daran herum und hatte nicht genug Grips, um sich zu merken, dass das gegen die Regeln des Anstands war. Deswegen blieb Root die meiste Zeit in der farbigen Gemeinde. Man befürchtete, er würde vielleicht vor Weißen seinem Hobby nachgehen, und sie würden ihn dafür lynchen.
    Für die meisten Menschen in Pearl Creek drehte sich alles um die Sägemühle und den Laden. Das Sägewerk warf einiges an Geld ab, das aber meistens in Form von Gutscheinen ausgegeben wurde, die

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