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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Richtung, wo er glaubte, dass die Stadt läge. Ein paar Stunden später kam er an, sein Hintern lugte unter dem Matratzenbezug hervor, sein Haar war verschwunden, sein Bart ausgerupft, er trug nur noch einen Strumpf und einen Schuh – und im Gesicht einen mehr als verwunderten Ausdruck. Bei sich führte er einen fassungslosen kahlen Hund, der sich in einem extrem nervösen Zustand befand und alles ankläffte, das sich bewegte.
    Nachdem Dr. Stephenson ihn wegen des Schocks behandelt hatte – mit seinem liebsten Heilmittel, einem Schluck Whiskey – und ihm ein paar Kleider geborgt hatte, blieb Mr. Chandler in der Nacht und der folgenden Woche bei Cal Fields. Man nahm an, dass Cal ihm das nicht nur aus Nächstenliebe angeboten hatte, sondern – schließlich war er die vollständige Belegschaft seiner eigenen Zeitung – um sich den ersten Tatsachenbericht von Mr. Chandlers Abenteuern zu sichern, der dann, zensiert, in der nächsten Ausgabe kam, zwei Tage vor dem üblichen Erscheinungstermin der Zeitung. Sie war heiß begehrt, fast so sehr wie Mr. Chandler, der, wie gesagt, täglich in unserem Friseurladen residierte, zusammen mit dem gerupften Hund, der sein ständiger Begleiter geworden war.
    Mein Vater hörte der Geschichte aufmerksam zu, aber wie alle anderen war er am meisten an der nackten farbigen Frau interessiert, die Mr. Chandler mitten im Tornado gesehen hatte.
    »Ich hab sie nur ein bisschen gesehen«, sagte er, »dann war sie auch schon verschwunden. Ich kann euch nicht viel mehr sagen, als dass sie eine nackte Niggerfrau war, mit dem Mund weit offen. Aber sie sah mir nach einer ansehnlichen Niggerfrau aus.«
    Zu Hause, an dem Abend, nachdem wir das alles zum ersten Mal gehört hatten, fragte ich Daddy, ob er denke, die Geschichte sei wahr. Wir waren draußen auf der Schlaf-Veranda, und Daddy ölte den Lauf seiner Schrotflinte. Er schaute eine Weile durch den Fliegendraht nach draußen, dann sagte er: »Ich denke schon. Ich kenne Chandler mein ganzes Leben, er ist ein ehrlicher Kerl. Er erzählt die Geschichte immer wieder fast genauso wie beim ersten Mal, und in der Zeitung steht die gleiche Fassung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das alles so passiert ist – oder dass er denkt, dass es so passiert ist.«
    »Was ist mit dieser farbigen Frau?«
    »Deshalb glaube ich ihm.«
    »Wie die Frau, die ich gefunden habe, oder?«
    »Ich nehm’s an. Wahrscheinlich ist sie von ihrem Mörder irgendwo abgelegt worden. Vielleicht im Fluss. Und dieser olle Sturm hat sie aufgelesen und wer weiß wohin gebracht. Vielleicht war sie gut versteckt. Gott wollte, dass sie gefunden wird, also hat er einen Sturm gesandt, der sie aus dem Versteck holen und uns zeigen würde.«
    »Aber sie ist doch gar nicht gefunden«, sagte ich.
    »Das stimmt. Macht dir die Sache Angst?«
    »Nein, Sir. Er ist immer noch irgendwo da draußen … oder, Daddy?«
    »Das hängt von einer Menge Dinge ab, die noch nicht geklärt sind. Es hängt davon ab, ob der Mörder nach dem Mord weitergezogen ist.«
    »Aber das glaubst du nicht, oder, Daddy?«
    »Nein, Harry, das glaube ich nicht.«
    »Was wirst du tun?«
    »Ich kann gar nichts tun, es sei denn, die Leiche taucht wieder auf. Ich werde morgen da hinfahren, wo Mr. Chandler gelandet ist, wo die Kuh lag, und mich umsehen.«
    Und das tat er. Aber er fand nichts außer der Kuh und allem möglichen Unrat. Im Friseurladen fuhr Mr. Chandler eine ganze Woche lang fort, seine Geschichte zu erzählen, und er hängte noch die nächste halbe Woche dran. Der junge angehende Doktor, der, wie sich herausstellte, mit vollem Namen Scott Taylor hieß, erzählte, wie Mr. Chandler ausgesehen hatte, als er wegen des Schocks behandelt wurde; und auch diese Geschichte stand eine Woche lang im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
    Dann ließ das Geschäft nach, denn die Leute hatten kein Interesse mehr daran, die Geschichte wieder und wieder zu hören. Mr. Chandler zog wieder auf sein Anwesen und startete mit Hilfe der Nachbarn den Wiederaufbau, der mit einem neuen Plumpsklo und einem neuen Sears & Roebuck Katalog begann. Er rundete die Arbeit mit einer kleinen Hütte aus rohem Holz ab, die er genau an der Stelle baute, an der das alte Haus gestanden hatte. Nach Mr. Chandlers Logik würde dieser Punkt nicht noch einmal getroffen werden, weil er schon getroffen worden war; er fand, er habe seine Schuldigkeit getan.
    Der Hund lebte jetzt bei ihm, und mit der Zeit wuchs auch sein Fell nach, das, gemäß der lokalen Legende,

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