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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Daddy verstohlen an und versuchte ihn mir als jungen Mann vorzustellen, der Red Woodrow aus dem Wasser zog. Eigentlich war er immer noch jung, als all das passierte, er war ungefähr in seinen Dreißigern, aber in meinem Alter kam mir das uralt vor.
    Ich überlegte, ob es mit dem Mord zusammenhing, dass Daddy gesagt hatte, er wünschte, er hätte Red Woodrow nicht gerettet – und ob das, was Red Woodrow gesagt hatte, mit Mama zusammenhing.
    Ich hatte nie viel darüber nachgedacht, dass meine Eltern ein Leben vor mir gehabt hatten; darüber, dass sie sich an irgendeinem Punkt füreinander entschieden haben mussten. Mir schien es, als wären sie schon immer zusammen gewesen. Die Tatsache, dass Daddy eifersüchtig auf Red Woodrow sein könnte, kam mir fremd vor. Es war eine Seite meines Vaters, die ich nie gesehen oder auch nur vermutet hätte. Langsam wurde mir klar, warum er mit Cecil nie ganz warm geworden war: Cecil flirtete mit Mama, und Mama gefiel das und Daddy nicht.
    *
    Als die Luft kühler wurde, die Nächte frisch wie gestärkte Hemden und der Mond wie ein Kürbis am Himmel hing, spielten Tom und ich bis spät in den Abend draußen und jagten Glühwürmchen vor uns her. Daddy war als Constable unterwegs, Mama saß im Haus und nähte.
    Toby hatte tatsächlich wieder angefangen zu laufen. Sein Rückgrat war nicht gebrochen, aber der heruntergefallene Ast hatte eine Art Nervenschaden verursacht. Er wurde nie wieder ganz gesund, aber er konnte herumlaufen, wenn auch ein bisschen steif. Ab und zu wurden seine Hüften aus keinem ersichtlichen Grund plötzlich taub, und er zog sein Hinterteil hinter sich her. Meistens ging es ihm gut, er lief ein wenig humpelnd und nicht besonders schnell. Er war immer noch der beste Eichhörnchenjäger weit und breit.
    An diesem Abend war er im Haus – eigentlich durfte er das nicht, aber wenn Daddy unterwegs war, ließ Mama ihn manchmal herein, dann lag er zu ihren Füßen, während sie nähte.
    Also waren nur Tom und ich übrig, und als wir müde wurden, setzten wir uns unter die Eiche und redeten. Ich stellte mir die Eiche als die große Eiche vor, an der sich Robin und seine Gefährten in den Wäldern von Sherwood trafen. Ich hatte davon in einem von Mrs. Canertons Büchern gelesen, und es hatte mich sehr beeindruckt.
    Als wir unter der Eiche saßen und uns unterhielten, hatte ich dasselbe Gefühl, von dem Daddy gesprochen hatte, als er unten am Fluss war, in den tiefen Wäldern – das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich hörte auf, Tom zuzuhören, die über dieses und jenes vor sich hin plauderte, und drehte mich langsam um in Richtung der Wälder, und dort, zwischen zwei Bäumen, in den Schatten, aber im Mondlicht deutlich erkennbar, stand eine gehörnte Gestalt und beobachtete uns.
    »Hey«, sagte Tom, die gemerkt hatte, dass ich ihr nicht zuhörte.
    »Tom«, sagte ich, »sei einen Moment still und sieh in die Richtung, in die ich sehe.«
    »Ich seh überhaupt ni…« – dann wurde sie still, und einen Moment später flüsterte sie: »Er ist es … der Ziegenmann.«
    Der Schatten drehte sich schnell um, zertrat einen Zweig, raschelte im Laub und war verschwunden.
    Es machte mir Angst, dass der Ziegenmann bis an unser Haus kommen konnte, dass er wusste, wo wir lebten – aber unser Land war direkt mit den Wäldern am Fluss verbunden, und wir waren weit weg von der Straße der Prediger.
    »Er muss uns in der Nacht damals nach Hause gefolgt sein«, sagte Tom.
    »Ja.«
    »Ich mag es nicht, dass er weiß, wo wir wohnen.«
    »Ich auch nicht.«
    Wir erzählten Daddy oder Mama nicht, was wir gesehen hatten. Ich weiß nicht genau, warum, aber wir taten es nicht. Wir behielten es für uns, und am nächsten Tag erwähnten wir es kaum. Ich glaube, es zu erwähnen hätte es zu real gemacht. Es war eine Sache, den Ziegenmann in den Wäldern am Fluss gesehen zu haben – aber direkt an unserem Haus, das war eine andere.
    Und nebenbei: Warum hätten wir es Daddy erzählen sollen? Er glaubte nicht an den Ziegenmann. Manche Dinge glaubt man erst, wenn man sie gesehen oder getan hat. Was mich an die Sache mit der Klitoris bei einer Frau erinnerte. War das real? Oder hatte Dr. Tinn sich das nur ausgedacht?
    Ein paar Tage lang hielt ich nachts ein Auge offen, dann ließ die Dringlichkeit der Sache nach. Das ist eine der Freuden der Kindheit. Man entwickelt schnell einen Enthusiasmus, der genauso schnell wieder verfliegt.
    Eine Woche, nachdem wir den Ziegenmann gesehen hatten, kam der große

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