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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Schlüsselworte waren »Frau«, »farbig« und »nackt«. Nicht, dass eine Frau nicht von dem Sturm ergriffen werden oder dass sie nicht farbig und nackt gewesen sein konnte, aber alles zusammen schien manchen doch sehr unwahrscheinlich.
    Ich glaube, der Grund dafür war einfach. Nacktheit war nicht so selbstverständlich wie heute. Heute muss man nur eine Zeitschrift aufschlagen, fernsehen oder ins Kino gehen, und immer lässt jemand alle oder fast alle Hüllen fallen. Damals konnte schon der entblößte Knöchel einer Frau die Männer in helle Aufregung versetzen.
    In meinem Fall waren die Karten, von denen Abraham und Richard erzählt hatten, die Titel einiger Groschenhefte, Tom in der Badewanne und ich selbst das Einzige, was ich an Nacktheit gesehen hatte. Und von den Karten hatte ich nur gehört, ich hatte sie nie wirklich gesehen.
    Daddy war von gewissen kirchentreuen Menschen oft dafür getadelt worden, dass er Groschenhefte im Friseurladen auslegte. Aber Daddy sagte über die gewagten Titelblätter immer: Es bringt nur ein bisschen Farbe in den Laden, Jungs. Keiner ist nackt.
    Nacktheit war etwas, das die Privatsphäre des eigenen Hauses nicht überschritt; dass Mr. Chandler einen Blick auf eine nackte Frau hatte werfen können, zudem eine farbige, eine verbotene Frucht, und dass er dann auch noch praktischerweise seine Hosen verloren hatte – all das ließ einige der Zuhörer an der Geschichte zweifeln und annehmen, dass ihr eher Wunsch als Wahrheit zugrunde lag.
    Man muss wissen, dass weiße Männer sich nicht für farbige Frauen zu interessieren hatten; was natürlich, wie jeder wusste, eine Lüge war, aber es war eine von diesen wohlerzogenen Lügen damals. Wie auch die, dass Frauen nur zu Fortpflanzungszwecken Sex hatten und alle jungfräulich waren, wenn sie heirateten.
    Die Vorstellung, dass eine Kuh in der Luft herumwirbelte, beeindruckte die Kunden im Friseurladen nicht sonderlich – aber eine nackte farbige Frau, das war etwas anderes. Es gab da allerdings ein paar Witze über den hosenlosen Mr. Chandler und die Kuh, aber der Anstand verbietet mir, näher darauf einzugehen.
    Trotz der Witzeleien und der Zweifel blieb Mr. Chandler bei seiner Geschichte. An dieser Stelle fügte er sogar noch etwas hinzu. Als er durch die Luft wirbelte, erkannte er, dass die Frau nicht schrie, sondern tot war, ihr Mund war weit offen, als würde sie schreien. Ihre Beine waren hinter ihrem Körper gekreuzt, ihre Arme vor den Brüsten verschränkt, und egal, wie der Sturm sie wendete, sie blieb in dieser Position.
    Wieder und wieder kreiselten Mr. Chandler und das ganze Zeugs durch die Luft. Dann sah er eine Matratze und einen kleinen, braunen lebendigen Hund, die hinter ihm flogen. Er dachte, wenn er die Matratze zu fassen bekäme, wäre alles gut. Warum er das dachte, wusste er nicht genau, aber es war immerhin eine Art Plan.
    Er versuchte, in Richtung der Matratze durch die Luft zu paddeln, aber es gelang ihm nicht. Er und die Matratze wirbelten durch die Gegend, und schließlich kam sie in seine Nähe, er konnte sie fassen und schlang seine Beine herum. Die Frau verlor er aus den Augen. Alles wurde dunkler, aber plötzlich war da ein Licht. Mr. Chandler fühlte sich, als würde er schweben, er hing auf der Matratze wie ein arabischer Magier, der auf einem fliegenden Teppich sitzt, und er flog hinein in das gleißende Licht.
    Aber, wie Mr. Chandler sagte: »Sobald es Licht geworden war, war ich wieder im Dunkeln.«
    Er verlor das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kam, hatte er die Matratze umklammert und kein einziges Kleidungsstück mehr am Leib, außer seinem rechten Strumpf und Schuh. Er lag in einem Feld voller Klee, kein einziger Regentropfen fiel mehr, es war windstill, und als er hochsah, war nicht eine Wolke mehr am Himmel. Die Kuh, die sich mit ihm durch die Lüfte gedreht hatte, lag als zerstückelte Masse etwas abseits, sie war so hart aufgeprallt, dass sie zur Hälfte ihrer ursprünglichen Größe zusammengestaucht war. Verstreut lagen Fische, Geröll und Äste herum. Der kleine braune Hund war jetzt nicht mehr braun. Ein großer Teil seines Fells war weg, und er sah aus wie eine große Ratte mit Haarausfall. Er lief wild bellend herum, als könne er sich nicht entscheiden, ob er zu Tode erschrocken oder wütend sein sollte, weil er dermaßen gerupft worden war. Die farbige Frau war nirgends zu sehen. Mr. Chandler riss den Bezug von der Matratze, bedeckte seinen Intimbereich und ging los in die

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