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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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schneiden, aber nach diesem kleinen Vorfall in Pearl Creek lässt er nur noch Cecil an seine Frisur. Ich glaube, da ist mein Stolz mit mir durchgegangen – der Gedanke, dass Stephenson glaubt, ich bekomme nichts auf die Reihe, dass alle immer nur von Cecil bedient werden wollen – und so hab ich losgelegt, als würde ich allein mit Cecil plaudern.«
    »Aber eigentlich hast du es Stephenson erzählt?«
    »Ich fürchte, ja. Und auf Mrs. Canertons Party hat es mich dann wieder eingeholt.«
    Wir brachten das Wasser herein, füllten es in die Kannen und in eine Wanne, in der Mamas Wasservorrat war, dann gingen wir wieder los.
    Wir kamen am Brunnen an, und Daddy stellte seinen Eimer auf den Brunnenrand. Er drehte sich zu mir und sagte: »Weißt du, warum ich ihre Familien nicht besucht habe?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Weil die eine farbig ist, Harry, und die andere eine Prostituierte. Ich kenne eigentlich keinen Farbigen gut, außer Mose. Ich rede mit ein paar von ihnen, ich kann sie gut leiden, und ich glaube, ein paar von ihnen können auch mich gut leiden, aber ich kenne sie nicht, und sie mich auch nicht. Verdammt, ich kenne nicht mal Mose wirklich gut. Alles, worüber er und ich je geredet haben, ist das Fischen, der Fluss und Tabaksorten. Ich glaube, die Mutter oder den Vater einer Prostituierten möchte ich gar nicht kennen lernen. Tief in mir drin, glaube ich, bin ich genauso wie jeder andere. Und weißt du was, Harry?«
    »Nein, Sir.«
    »Das macht mich fertig.«
    Daddy ließ den Eimer in den Brunnen fallen. Als er im Wasser war, zog er ihn wieder hinauf.
    »Du bist nicht wie jeder andere, Daddy. Du hasst die Farbigen nicht.«
    »Wie gesagt, was die Gefühle tief unten angeht, bin ich mir da nicht so sicher.«
    »Aber du und Mama, ihr seid anders als die anderen.«
    »Es gibt viele, die denken wie wir. Es ist nur so, dass die, die das Gegenteil denken, die größere Klappe haben. Lass mich dir etwas erzählen, Harry. Als ich noch ein Junge war, fing jeder Satz, den ich über Farbige sagte, mit ›Nigger‹ an. ›Nigger‹ hier, ›Nigger‹ da. Ich habe als Kind oft im Fluss gefischt, und da war dieser farbige Junge dort unten, der große alte Welse fing. Ich war neidisch auf ihn – der Gedanke, dass ein Farbiger all diese großen Fische fing und ich überhaupt nichts … ich schäme mich, es zu sagen, aber eines Tages beschloss ich, ihn zu verprügeln. Ich war unten am Fluss, er stand in der Nähe und angelte die Fische aus dem Wasser, als wären sie nur im Fluss, um in seinen Köder zu beißen.
    Er sah zu mir herüber und sagte: ›Sir, ich hab hier ein paar gute Köder – wollen Sie welche?‹
    Ich nahm mir ein paar und hatte immer noch kein Glück. Aber wir saßen da am Ufer und unterhielten uns, und am Ende des Tages wusste ich etwas, das ich vorher nicht mal geahnt hatte.«
    »Was denn?«
    »Er war wie ich. Er hatte auch einen miesen Vater. Sein alter Herr hatte ein halbes Dutzend Menschen umgebracht, aber weil es nur Farbige waren, hat niemand etwas gegen ihn unternommen, und der Junge hatte Angst vor ihm. Ich hatte auch Angst vor meinem Vater. Der Junge brachte mir bei, wie man die Köder machte, wie man Blut, Maismehl und ein wenig Teig zusammenmischt, zu kleinen Bällchen formt, sie härten lässt und dann richtig am Haken festmacht.
    Wir wurden nicht die besten Freunde, aber über seine Hautfarbe dachte ich nicht mehr nach. Es ging sogar so weit, dass ich mich darauf freute, zum Fluss zu gehen und zu fischen, weil ich ihn dort treffen würde und wir uns unterhalten konnten.
    Und dann wurde ein weißes Mädchen im Fluss gefunden, nackt und tot; und aus irgendwelchen Gründen, ich weiß nicht mehr aus welchen, wurde beschlossen, dass der Junge, der übrigens Donald hieß, der Täter gewesen sein musste. Ich hatte damals nichts davon gehört, aber eines Nachmittags kam ich vom Eichhörnchenjagen zurück und ging die Straße entlang, die manche Straße der Prediger nennen, und sah einen Haufen Leute herumstehen. Als ich mir den Weg durch diese Versammlung gebahnt hatte, sah ich Donald auf einem Leiterwagen. Sie hatten seine Hände und Füße an den Wagenboden genagelt, und sie hatten ihn kastriert.
    Er hat mich gesehen, Harry. Er hat gesehen, wie ich in der Menge stand und ihn ansah. Ich erinnere mich an seine Augen. Sie sahen mich an und waren groß wie Schöpflöffel. Er sah mich an, und er sagte: ›Mister Jakob, können Sie mir nicht helfen?‹
    Und ich … ich bin zurückgegangen. Zurück

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