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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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aufgequollen oben in dem Baum hing und dem Wind und dem Regen ausgesetzt war. Die Leute, die sie gefunden haben, dachten, sie wäre farbig, weil ihre Haut sich verändert hatte. In dieser Gegend reicht es schon, wenn jemand lange in der Sonne war – schon wird gemunkelt, dass er farbiges Blut in sich hat. Verdammt. Ich hab auch gedacht, dass sie farbig ist. Wenn ein Körper so aussieht, kann man nicht mehr viel über die Haut oder die Rasse sagen. Der Tod macht uns alle gleich, Junge.«
    »Mr. Chandler hat gesagt, sie wär farbig.«
    »Sie hat eine dunkle Hautfarbe, Harry. Wie ich schon sagte.«
    »Aber du hast gesagt …«
    »Ich habe das gesagt, damit die Leute sich nicht aufregen. Wenn du im selben Satz weiß und farbig sagst, regen die Leute sich auf.«
    »Aber du hast weiß und farbig im selben Satz gesagt. Du hast gesagt, sie wär halb weiß.«
    »Du hast recht.« Daddy blieb stehen, um seine Pfeife aus der Tasche zu holen, den Tabak zu stopfen und sie anzuzünden. »Ich weiß nicht, ob das besonders clever von mir war, Harry. Als ich gesagt habe, sie sei farbig, hat’s keinen gekümmert. Hätte ich gesagt, dass sie weiß war, wären viele Unschuldige gelyncht worden. Aber wenn ich sage, sie hat weißes Blut, halten die Leute inne und sehen sie vielleicht als menschliches Wesen. Auf der anderen Seite ist sie aber nicht so weiß, dass sie sich aufregen und auf eigene Faust etwas unternehmen. Es ist traurig, aber so ist es nun mal.«
    »Wie hast du herausgefunden, dass sie weiß war?«
    »Als ich noch dachte, sie sei farbig, habe ich sie nach Pearl Creek gefahren, um zu hören, ob Dr. Tinn oder Reverend Bail sie kennen. Sie kannten sie tatsächlich, aber nicht, weil sie farbig war. Sie war weiß, hatte einen schlechten Ruf und war oft bei den Farbigen in Pearl Creek – was ihr einen noch schlechteren Ruf eingebracht hat. Eine weiße Frau, die mit Farbigen ins Bett geht, wird sogar noch mehr verachtet als eine, die sich mit ihresgleichen einlässt. Außer ihrem schlechten Ruf hatte sie gar nichts – sie sprang auf Züge, um von Tyler nach Pearl Creek zu kommen, und fuhr zurück, wenn sie den letzten Zug erwischte. Sie arbeitete meistens in zwielichtigen Tanzlokalen und dergleichen. Aber, wenn rauskommt – und das passiert wahrscheinlich –, dass sie weiß war, dann wird es plötzlich völlig egal sein, dass die so genannten anständigen Herren nichts mit ihr zu tun haben wollten – auch wenn sie vielleicht manchmal mit ihnen zu tun hatte. Genau diese Männer werden dann zu ihren Waffen greifen und lautstark herumtönen, dass ein Farbiger sie ermordet hat und alle weißen Frauen in Gefahr sind.«
    »Sind sie denn nicht in Gefahr?«
    »Alle Frauen sind in Gefahr, Harry. Mit einem Killer wie diesem ist jeder in Gefahr. Aber ich glaube, er hat es vor allem auf Frauen abgesehen. Wenn ich gesagt hätte, sie sei unter einen Zug gekommen oder ertrunken, hätt’s keinen geschert. Aber wenn Leute wie Nation glauben, ein Farbiger ist über sie hergefallen, dann kann es sein, dass Mose und jeder farbige Junge über zwölf gelyncht wird.«
    Wir trugen die Eimer nach Hause.
    »Du hast gesagt, du willst sichergehen, dass Mose es nicht war, aber du glaubst doch nicht, dass er’s getan hat, oder, Daddy?«
    Wir waren jetzt auf der hinteren Veranda. Daddy setzte seinen Eimer ab. Ich tat das Gleiche. »Es ist, als hätte ich eine Büchse geöffnet, und jetzt weiß ich nicht, wie ich sie wieder schließen soll. Ich hab einen Fehler gemacht. Es war reine Angeberei.«
    »Du warst stolz darauf, dass du Mose festgenommen hattest?«
    »Ich war stolz darauf, dass ich überhaupt etwas getan hatte. Bisher habe ich in dieser ganzen Sache nur zwei Leichen angesehen, mit ein paar Leuten geredet – und das war’s dann auch schon. Ich weiß nicht mehr als das, was ich am Anfang wusste. Abgesehen davon, dass die Frauen jetzt Namen haben; und ich nehme an, es gibt Leute, die an ihnen gehangen haben. Das Schlimmste ist: Nicht mal das weiß ich genau. Ich habe nicht versucht, ihre Familien zu finden oder sie zu besuchen. Ich wollte eine richtige Untersuchung einleiten, und das hätte ich tun sollen. Tun müssen. Mose zu verhaften war schon ein Fehler – aber dann habe ich auch noch erzählt, dass ich jemanden verhaftet habe. Und der ganze Mist nur wegen Dr. Stephenson.«
    »Wieso wegen ihm?«
    »Er war im Laden. Er kam, um sich von Cecil die Haare schneiden zu lassen. Früher kam er ab und zu vorbei und ließ sie sich von mir

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