Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
Seiten davonlaufen. Er füllte das Wasser von dem Eimer am Brunnen in unsere Eimer um.
*
Als wir mit dem Wasserschleppen fertig waren, hatte Mama das Frühstück auf dem Tisch, Tom saß müde blinzelnd vor ihrem Teller und sah aus, als würde sie gleich mit dem Gesicht in ihre Hafergrütze fallen. Normalerweise hätten wir Schule gehabt. Aber die Lehrerin hatte gekündigt und man hatte noch keine neue eingestellt, deswegen mussten Tom und ich an diesem Tag nirgendwo hin.
Ich glaube, das war auch ein Grund dafür, dass Daddy mich fragte, ob ich ihn nach dem Frühstück begleiten wolle. Der andere Grund war, glaube ich, dass er nicht alleine gehen wollte. Er sagte, er wolle nach Mose sehen.
Wir fuhren rüber zu Bill Smoote. Bill gehörte ein Kühlhaus unten am Fluss. Es war eigentlich nur ein großer Raum, angefüllt mit Sägemehl und Eis, ähnlich wie das in Pearl Creek. Die Leute holten sich Eis mit dem Auto oder per Boot, und Bill konnte gut davon leben.
Hinter dem Kühlhaus befand sich ein kleines Wohnhaus, wo Bill mit seiner Frau und seinen drei Töchtern lebte. Seine Töchter sahen aus, als wären sie von einem Baum gefallen, dabei im freien Fall gegen jeden einzelnen Ast geprallt und dann mit Karacho auf dem Boden gelandet. Sie lächelten mich immer an; das machte mich nervös.
Hinter Smootes Haus war seine Scheune, die eher ein großer Schuppen war. Sie sah aus, als wäre sie schon mal in sich zusammengefallen und dann vom Wind wieder hochgewuchtet worden. Dort, sagte Daddy, habe er Mose versteckt. Wir parkten vor dem Haus, Daddy ging hoch und klopfte an der Tür. Eine großbusige Teenagerin mit verdreckten blonden Haaren öffnete.
»Elma, ist dein Vater da?«, fragte Daddy.
»Ja, Sir, ich hol ihn.«
Einen Moment später war Smoote auf der Veranda. Er war ein korpulenter Mann in einem speckigen Overall, hatte nur ein paar Zähne und trug einen großen Strohhut mit dunklen Schweißflecken an der Krempe. Er hatte die Angewohnheit, seine Oberlippe zu kräuseln und Tabak durch eine der vorderen Zahnlücken zu spucken. Das tat er fast augenblicklich, er spie ein Knäuel Tabak in den Sand unter der Veranda.
»Ich möchte nach ihm sehen«, sagte Daddy.
Mr. Smoote nickte. »Gut, lass uns rübergehen. Ich will ihn nicht hier. Wenn jemand vorbeikommt und rausfindet, dass ich ’n Nigger verstecke, krieg ich richtig Ärger.«
»Danke, dass du’s trotzdem tust, Bill.«
»Bin dir ja schließlich noch was schuldig. Bist du sicher, dass es ungefährlich ist, den Nigger hier zu haben? Ich meine, immerhin hat er wen umgebracht, ich will ihn nicht in der Nähe meiner Familie. Ich hab Töchter.«
Wir gingen von der Veranda in Richtung der Scheune.
»Bill«, sagte Daddy, »ich hab ihn nur zum Verhör hierher gebracht, das weißt du. Ich kann ihn nicht in die Stadt bringen. Wenn die Leute das rausfinden, gibt’s Schwierigkeiten. Mose tut keinem was – deine kleine Tochter könnt’ ihm den Arsch vollhauen.«
»Na ja, vielleicht benutzt er eine Axt.«
»Bill, du kennst Mose so lang wie ich. Was glaubst du?«
»Ist nicht leicht, ’nen Nigger einzuschätzen.«
Daddy antwortete nicht darauf. Er sagte: »Jedenfalls nett von dir, Bill.«
»Na, wie gesagt. Ich bin dir was schuldig.«
*
Als Mr. Smoote das Scheunentor öffnete, fiel Sonnenlicht hinein. Staub wirbelte auf, und ich musste husten. Der Staub, durchbrochen vom Licht, gab mir das Gefühl, das Innere der Scheune wie durch einen Schleier zu sehen. Ein Geruch hing in der Luft. Altes Heu. Schweiß und abgestandene Fäkalien. Letzteres kam offensichtlich von einer ekligen schwarzen Tonne, über der Fliegen summten.
In einer Ecke, den Rücken an einen Heuballen gelehnt, saß der alte Mose. Ich hatte ihn eine ganze Weile nicht mehr gesehen und war erschrocken, wie klein er geworden war. Er war kaum größer als ich, und lange nicht so breit. Seine Arme waren dünn wie Stöckchen, und seine Haut passte ihm nicht mehr; sie war so schlaff, dass man ihn darin hätte einwickeln können. Sein geflickter, ausgebleichter Overall schlackerte ihm um die Beine, als er aufstand. Er lächelte uns an. Ein paar Zähne hatte er noch, und manche davon waren nicht schwarz. Er senkte seinen Kopf und nickte in unsere Richtung; es sah aus, als hinge sein Kopf an einer losen Schraube. Blinzelnd versuchte er, sich an das plötzliche Licht zu gewöhnen; als er die Augen schließlich öffnete, erinnerte ich mich daran, dass sie smaragdgrün waren. Sie waren das Einzige an ihm, das
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