Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
das sich um uns legte und versuchte, uns wie eine Urwaldschlange zu erdrücken.
»Ich muss mich ein bisschen hinlegen«, sagte Miss Maggie. Sie stand langsam auf. Die zweite Tasse Kaffee erwähnte sie nicht mehr. Wir dankten ihr und stellten unsere Tassen drinnen auf den Tisch. Miss Maggie verschwand hinter einem Vorhang, den sie als Raumteiler zwischen dem Kochbereich und ihrem Bett aufgehängt hatte. Sie ging hinter den Vorhang und kam nicht mehr hervor.
Wir schlossen leise die Tür und gingen zurück zum Auto.
*
Grandma und ich unterhielten uns auf der Rückfahrt nach Hause. »Was hatte Miss Maggie?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, Harry. Aber vielleicht ist es etwas, das wir wissen sollten.«
»Und vielleicht haben wir sie mit irgendwas gekränkt.«
»Den Eindruck hatte ich auch. Es hat mich überrascht. Ich hatte nicht vor, ihre Gefühle zu verletzen. Ich schätze, weil sie Red quasi aufgezogen hat, ist sie da sehr empfindlich. Und dann zu sehen, was aus ihm geworden ist …«
»Er bringt ihr Lebensmittel.«
»Er kümmert sich um sie, Harry, aber das heißt nicht, dass er sie als gleichwertigen Menschen ansieht. Die Leute füttern auch ihre Maultiere, aber deswegen scheren sie sich noch lange nicht um deren Ansichten.«
»Maultiere haben keine Ansichten.«
»Ja, aber Menschen haben welche. Ich sag dir was: Lassen wir mal diese Sache mit Miss Maggie – und überlegen wir lieber, was wir jetzt tun. Unterbrich mich, wenn ich was Falsches sage. Der Mörder fesselt seine Opfer. Manchmal auf sehr seltsame Weise. Wir wissen von drei Frauen, die er umgebracht hat; vielleicht vier. Ist es so?«
»Ja, Ma’am. Ich glaube schon.«
»Und sie waren alle farbig. Außer einer. Sie wurden alle in den Fluss geworfen oder zumindest in der Nähe des Flusses gefunden.«
»Außer der, die von dem Tornado aufgewirbelt wurde – aber gut möglich, dass auch sie am Ufer gelegen hat. Der Sturm ist auch da durchgefegt – würde also Sinn machen.«
»Der farbige Arzt, von dem du mir erzählt hast …«
»Doktor Tinn.«
»Dr. Tinn glaubt, wer auch immer diese Frauen getötet hat, kommt wieder zu ihnen zurück, um ihre Leichen zu missbrauchen. Wie mache ich mich bisher?«
»Okay.«
»Die Frage ist: warum?«
»Weil er verrückt ist?«
»Das ist er höchstwahrscheinlich, Harry. Aber wenn man eine Ahnung davon hätte, warum er’s tut, könnte man vielleicht darauf kommen, wer es ist. Natürlich, vielleicht gibt es überhaupt keinen Grund. Aber ich bin eine von den Leuten, die überzeugt sind, dass es für fast alles irgendeinen verdammten Grund gibt. Sogar Verrückte haben ihre Gründe. Sie scheinen uns vielleicht nicht logisch, aber es ist ein Sinn dahinter. Es sei denn, du bist so verrückt, dass du nicht mehr weißt, wer du bist oder welcher Tag heute ist. Aber ich glaube, dieser Mörder lebt hier unter uns und wirkt eher normal. Also muss es was geben, dass das Ganze in ihm auslöst – etwas kocht hoch in seinem Kopf, das die Sache logisch erscheinen lässt. Und vielleicht kann er dann nicht anders. Vielleicht will er’s nicht mal tun. Außerdem müssen wir annehmen, dass es jemand ist, der den Fluss liebt oder jedenfalls in seiner Nähe lebt. Jemand, der sich in der Gegend da unten auskennt, und einer, der weiß, wie man die Frauen dahin bekommt. Jemand muss etwas gesehen haben.«
»Mose war so«, sagte ich.
»Wie, so?«
»Er lebte am Fluss und liebte ihn.«
»Das stimmt.«
»Und es gab keinen Mord mehr, seit er erhängt wurde.«
Grandma nickte. »Aber wir beide denken nicht, dass Mose es war, oder?«
»Nein, Ma’am. Obwohl es dann leichter wäre.«
»In gewisser Weise, ja. Andererseits: womöglich ist das der Grund, warum es deinem Daddy immer schlechter geht. Er will nicht, dass noch jemand umgebracht wird, aber er muss sich fragen: Die Morde haben aufgehört, war es also doch Mose? Hat er einen Verbrecher geschützt? Und er denkt sich: Wenn’s nicht Mose war, wer war es dann? Außerdem: Wenn er den Mörder gefunden hätte, hätte der alte Mose nicht sterben müssen.«
»Ich schätze, der Stein kam ins Rollen, weil Daddy auf der Halloween-Party erwähnte, dass er jemand festgenommen hat. Deshalb fühlt er sich so schuldig.«
»Ja, aber er hat da doch nicht gesagt, wen er festgenommen und wo er ihn hingebracht hat, oder?«
»Nein, Ma’am.«
»Mr. Smoote könnte geplaudert haben, oder der Junge, der ihm geholfen hat, Mose anzuketten, oder beide, meinst du nicht? Dann wäre klar, woher jemand
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