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Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Grandma. Ich hole Daddy, damit er uns rauszieht.«
    »Ich hab’s vermasselt, Harry, also kann ich auch mit dir gehen und nass werden.«
    »Musst du aber nicht.«
    »Ich weiß, aber trotzdem. Ich will hier nicht rumsitzen und warten. Guck mal unter den Sitz da.«
    Ich griff unter meinen Sitz und fand einen ziemlich großen Holzkasten mit einem Schnappschloss.
    »Mach ihn auf«, sagte Grandma. »Mal sehen, was da so drin ist.«
    In dem Kasten war eine Taschenlampe, eine kleine Pistole, ein paar Erste-Hilfe-Sachen, Streichhölzer, eine Schachtel Patronen und eine Fackel zur Absicherung einer Unfallstelle.
    »Nimmst du ihn?«, fragte Grandma.
    Ich machte den Kasten zu, wir stiegen aus dem Auto und gingen los. Es regnete sehr stark, und ziemlich bald verwandelte sich der Regen in Eis. Es hagelte, mitten im Sommer, und er prasselte so bösartig auf uns nieder, dass wir in den Wald gingen, in der Hoffnung, die Bäume würden uns schützen.
    Es war dunkel, und die Sicht war verschwommen von Regen und Hagel, aber ich brauchte nicht lange, um festzustellen, dass der Pfad, auf dem wir gingen, zur Schwingenden Brücke führte.
    Ich sagte es Grandma.
    »Das heißt, wir sind nicht weit entfernt von Moses Hütte«, sagte Grandma. »Da könnten wir uns eine Weile unterstellen.«
    Ich dachte darüber nach. Ich dachte an die Leute, die sich dort versammelt hatten. Nicht weit weg von seiner Hütte war Mose aufgehängt worden. Ich wollte nicht dorthin, aber der Hagel ließ uns keine Wahl.
    Als wir die Lichtung erreichten, von der aus man zum Fluss und zu Moses Hütte kam, hämmerte der Hagel auf uns herunter, als wolle er uns in Grund und Boden rammen. Er schlug mir Beulen in den Kopf, und der Regen war so eisig, dass ich am ganzen Körper zitterte. Es war jetzt sehr finster, als wäre es Nacht, und Grandma nahm die Taschenlampe aus dem Kasten. Wir machten sie an und liefen den Hügel hinunter, der zu der Hütte führte. Wir stießen die angelehnte Tür auf. Ein Waschbär, erschreckt durch unser Eindringen, sprang zurück und fauchte uns an.
    Grandma ließ die Tür offen und schob mich an der Wand entlang. Der verwirrte Waschbär wollte nicht verschwinden. Grandma nahm einen Stuhl und scheuchte ihn hinaus, er verschwand durch die offene Tür, hinein in den Regen und den Hagel. Beinahe tat er mir leid.
    Nachdem Grandma die Tür zugemacht und mit einem Holzbalken verrammelt hatte, ließ sie das Licht der Taschenlampe durch den Raum gleiten. Er war total verwüstet. Alles war voller verschüttetem Mehl, und Moses spärliche Kleidung, ein paar Konservendosen und zerbrochene Einmachgläser lagen auf dem Boden. Ich wusste nicht, ob die Menschenmeute oder Tiere das nach Moses Tod angerichtet hatten.
    Auf dem Boden, neben einem kaputten Einmachglas mit verdorbenem Inhalt, lag das gerahmte Foto einer Frau. Es gab noch ein weiteres Foto, das, nahm ich an, Moses Sohn zeigte. Es steckte außen im Rahmen des Fotos der Frau, am Rand. Der Junge musste etwa elf Jahre alt sein. Das Foto war etwas vergilbt. Ich sah es mir genauer an und stellte fest, dass es das Foto eines weißen Jungen war, ausgeschnitten aus einem Sears & Roebuck Katalog. Er sah farbig aus, weil sein Gesicht mit einem Bleistift angemalt worden war. Ich hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte – weder damals noch heute. Die Frau war sehr dunkel, ihre Gesichtszüge waren nicht genau auszumachen. Ich stellte den Rahmen auf den Tisch.
    In der Ecke des Raumes stand ein einfaches Bettgestell aus Holz, mit einer Matratze und ein paar Decken.
    »Es riecht hier irgendwie schlecht«, sagte Grandma.
    »Das ist nicht Moses Schuld. Als er hier lebte, hat’s nicht gestunken.«
    Grandma legte den Arm um meine Schultern. »Ich weiß, Harry.«
    Der Sturm draußen wurde noch brutaler, dunkel und donnernd, und Blitze leuchteten vor dem Fenster auf.
    »Ich bin erschöpft, und mir ist kalt, Harry«, sagte Grandma. »Wir werden etwas warten müssen. Ich muss mich hinlegen. Hier ist Platz für zwei.« Grandma saß auf dem Bettrand und gab mir die Taschenlampe. Plötzlich sah sie so alt aus, wie sie war.
    »Bist du okay, Grandma?«
    »Klar. Ich bin nur zu alt für so was. Mein Herz macht schneller schlapp. Klopft so komisch. Ich ruh mich etwas aus, und dann ist wieder alles in Ordnung.«
    Ohne ein weiteres Wort schlüpfte sie unter eine der Decken. Ich nahm mir die andere, legte sie mir um die Schultern und setzte mich auf einen Stuhl an den kleinen Tisch. Nach einer Weile stand ich wieder auf,

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