Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms
bisschen allein sein«, sagte Cecil.
»Das hier ist aber ein Notfall«, sagte ich.
»Am besten, du gehst und holst ihn«, sagte Cecil. »Tom kann mir in der Zeit helfen, hier sauberzumachen, und sich ein Fünf-Cent-Stück verdienen.«
»Echt?«, fragte Tom, »ganze fünf Cent?«
»Du musst sie dir verdienen«, sagte Cecil. »Gibt ganz schön was zu tun hier. Den Boden wischen und so. Und der Spiegel muss geputzt werden, und die Flaschen mit dem Haaröl müssen wir abstauben.«
»Dann geh ich mal«, sagte ich.
Cecil nickte. Ich ging aus dem Laden, band Sally von dem Baum neben dem Haus und machte mich auf den Weg zu Cecil. Als ich dort ankam, rutschte die Sonne langsam am Horizont herunter, wie eine zerstampfte Kartoffel von einem marineblauen Teller.
Ich war nur einmal in Cecils Haus gewesen, als Daddy wollte, dass er früher als sonst zur Arbeit kommen sollte. Er hatte mir den Weg beschrieben und mich hingeschickt, und ich erinnerte mich an die Strecke.
Cecils Haus war am Rande der Stadt, es lag hinter Bäumen und sah nicht besonders aus. Eine graue Hütte, bestehend aus zwei Räumen, mit einem rostigen Blechdach, umgeben von ein paar Amberbäumen. Einer der Äste war unter das Blechdach gewachsen, und es sah aus, als würde er es hochheben wollen, um hineinzuschauen. Die Veranda war an manchen Stellen etwas verrottet, Löcher waren im Holz, durch die man den Boden sehen konnte. Der Boden um das Haus war übersät mit den kugeligen Früchten der Amberbäume.
Daddys Auto war hinter dem Haus geparkt, nicht weit vom Plumpsklo. Die Fahrertür stand offen. An einem Baum lehnten die Seitenbretter, die Cecil manchmal für seinen Lieferwagen benutzte, und sein Boot war auf Ziegelsteinen aufgebockt, damit es nicht vermoderte.
Ich band Sally an einen Baum, schloss die Fahrertür, ging auf die Veranda und rief Daddy. Er antwortete nicht. Ich drückte gegen die Tür, und sie ging auf. Ein schwacher, übler Geruch kam mir entgegen. Ich ging hinein und sah mich um. Ein Holzofen, Gardinen aus einem glänzenden Stoff vor einem Fenster, ein Tisch, zwei Stühle. Kein Daddy weit und breit.
Vor der Tür des zweiten Raumes hing ein Vorhang. Ich zog ihn zurück. Aus diesem Zimmer kam der Geruch, und der Geruch war Daddy.
Er lag auf dem Bett und schlief – und er schnarchte so stark, dass seine Lippen bebten. Der Raum war erfüllt von dem Gestank seines Atems, und der Gestank seines Atems war Alkohol. Eine große Flasche lag neben dem Bett. Sie war umgefallen, Whiskey war herausgeflossen.
Ich stand da, sah ihn an und wusste nicht, was ich denken sollte. Ich hatte ihn noch nie betrunken erlebt. Ich wusste, ab und zu genehmigte er sich ein Glas – aber eben nur eines. Und jetzt lag er hier, k. o. geschlagen vom Whiskey, mit einer leeren Flasche neben sich.
Schlagartig wurde mir klar, warum ich ihn in letzter Zeit so wenig gesehen hatte, warum er uns mied, wo er nur konnte. Er hatte regelmäßig getrunken. Wo bisher mein Mitgefühl gewesen war, fühlte ich jetzt nur noch Enttäuschung.
Ich fing an zu verstehen, was Mama durchmachte, und ich staunte darüber, wie sehr sie sich zusammengenommen und wie gründlich sie es vor uns verborgen hatte. Grandma wusste es wahrscheinlich auch. Mit einem Mal liebte ich diese beiden Frauen fast noch mehr, als ich es ohnehin schon tat.
Ich stand vor Daddy und spürte den Drang, ihn zu schlagen. Ich beschloss, nicht zu versuchen, ihn aufzuwecken. In seinem Zustand würde er uns nicht helfen können, und ich wollte ihn so, wie er war, nicht wach erleben. Ich wollte nicht, dass er die Enttäuschung in meinem Gesicht sah, und ich wollte die seine nicht sehen.
Ich ging leise aus dem Zimmer, schloss die Vordertür und ritt auf Sally zurück in den Friseurladen.
*
Als ich zurückkam, hatte Tom fast alle Arbeiten erledigt. Cecil schickte sie zum Gemischtwarenladen, denn er spendierte eine Runde Limonade und Erdnusskekse.
Als Tom weg war, sagte er: »Ich wollte nicht, dass du ihn so siehst.«
»Er ist in letzter Zeit nur in die Stadt gekommen, um zu trinken, oder?«
Cecil nickte. »Meistens geht er zu mir. Ich dachte, wenn er schon trinkt, soll er’s lieber an einem Ort machen, an dem ihn keiner sieht. Wenn er seinen Rausch ausgeschlafen hat, geht er wieder nach Hause. Ich hab keine Ahnung, was ich ihm sagen soll. Er hat’s nicht leicht zurzeit.«
»Es ist aber für keinen leicht«, sagte ich.
»Sei nicht zu streng mit ihm, Harry. Er ist ein guter Kerl. Aber eben sehr unglücklich. Es ist
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