Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms

Titel: Die Wälder am Fluss - Lansdale, J: Wälder am Fluss - The Bottoms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
gedacht hätte.«
    »Es sei denn, es ist Mr. Nation«, sagte ich. »Oder einer seiner Söhne. Die sind Monster.«
    Dr. Tinn kratzte sich die Wange, dann nickte er. »Ich kenne die. Der jüngere Sohn, Joshua, legt gern mal ein Feuer. Und Esau, der ältere, hat mal ein paar farbige Jungs angeheuert, damit sie ihn zum Fischen in ihrem Boot mitnehmen. Hinterher erzählten sie, er habe die ganzen Fische, die er gefangen hatte, aufs Ufer geschmissen, sei auf ihnen herumgetrampelt und habe sie dann einfach dort liegen lassen. Angeblich hat ihm das einen Riesenspaß gemacht. Also hast du vielleicht Recht. Es könnte jeder von den Nations sein, und überrascht wäre ich nicht. Diese Leute haben so viel Hass und Bosheit in sich, irgendwie muss sich so was ja entladen.«
    Es hatte angefangen zu regnen. Wir hörten die Tropfen auf das Blechdach trommeln.
    »Und da ist noch was, über das ich nachgedacht habe«, sagte ich. »Red Woodrow.«
    »Für ein Kind denkst du über ganz schön starken Tobak nach«, sagte Dr. Tinn.
    »Ja, Sir«, sagte ich. »Tom und ich haben die erste Leiche gefunden, und seither habe ich alles mitbekommen. Ich fühle mich wie ein Teil der ganzen Sache.«
    »Red vertritt das Gesetz«, sagte Grandma. »Also hat er Zugang zu Informationen – und zu Leuten. Er könnte eine Frau leicht dazu überreden, mit ihm allein irgendwo hinzugehen. Er sagt ihr einfach, es wär irgendwas Rechtliches. Farbige dürfen nichts sagen gegen das Gesetz. Und Red ist bekannt dafür, dass er auf Frauen nicht gut zu sprechen ist. Außerdem hasst er Farbige.«
    Dr. Tinn guckte einen Moment vor sich hin, als überlege er, ob er eine bestimmte Information weitergeben dürfe.
    »Hören Sie«, sagte er, »ich sage Ihnen jetzt was, das Sie eigentlich nicht wissen dürfen … aber es ist wichtig, wenn man bedenkt, dass wir in dieser Sache jedes Detail berücksichtigen müssen. Einmal, als Miss Maggie krank wurde, kam sie hierher, und sie musste drei Tage bei uns zu Hause bleiben, weil sie eine Lungenentzündung hatte. Sie kam ins Reden, und sie erzählte mir etwas, das ich wahrscheinlich nicht weitersagen sollte – aber nach dem, was mit Mose geschehen und was hier in letzter Zeit passiert ist, ist es wahrscheinlich das Beste so. Ich muss Sie allerdings um Ihr Wort bitten, dass Sie es nicht herumerzählen. Auf den Ruf eines Klatschmauls kann ich verzichten.«
    Grandma und ich waren einverstanden.
    »Red ist nicht weiß. Jedenfalls nicht völlig.«
    »Was?« Grandma lehnte sich in ihrem Stuhl vor, als würde alles klarer, je näher sie Dr. Tinn käme.
    »Reds Daddy glaubte, er habe Miss Maggie drei Kinder gemacht«, sagte Dr. Tinn, »zwei Mädchen und einen Jungen. Alle drei Kinder sahen aus wie Weiße. Reds zwei Schwestern wuchsen im farbigen Umfeld auf, bis sie ungefähr vier waren. Dann merkte Miss Maggie, dass sie als Weiße durchgehen konnten, und sie hatte Verwandte, die sich der Mädchen annahmen. Sie gingen irgendwo in den Norden. Man sagt – aber vielleicht stimmt das auch nicht –, dass die zwei Mädchen von weißen Leuten adoptiert wurden, die nicht mal wissen, dass die Mädchen farbig sind.
    Red wollte der Alte für sich behalten, weil er ein Junge war. Er wurde als sein Sohn aufgezogen, und seine Frau musste vorgeben, dass sie ihn geboren hatte. Irgendwie haben sie’s geschafft, das Ganze zu vertuschen.«
    »Weiß Red, dass er eigentlich farbig ist?«
    »Nein. Aber hundertprozentig sicher bin ich nicht. Ich erzähle nur, was ich gehört habe. Aber ich glaube, dass es so ist. Red liebt Miss Maggie, weil sie ihn aufgezogen hat. Er glaubt, er ist weiß und dass sie seine Amme war, seine Nanny.«
    »Warten Sie mal«, sagte Grandma. »Sie sagten, der alte Mr. Woodrow glaubte, er habe Miss Maggie drei Kinder gemacht. Wieso ›glaubte‹?«
    »Sie sind eine gute Zuhörerin und eine kluge Frau«, sagte Dr. Tinn. »Das dritte Kind, das jüngste, das war Red. Aber es war nicht vom alten Woodrow. Es war von Mose.«
    Es war, als sei das Dach auf uns heruntergestürzt.
    »Mose hatte weißes Blut in sich«, sagte Grandma.
    »Ja«, sagte Dr. Tinn.
    »Und bei Red hat sich der weiße Teil in Mose durchgesetzt.«
    Dr. Tinn nickte.
    »Wenn man genau hinsah, war Red Mose wie aus dem Gesicht geschnitten. Rotes Haar, Sommersprossen, und die hellgrünen Augen. Und sie hat mir noch was erzählt. Moses Vater war auch der Vater vom alten Woodrow.«
    »Könnte Red das wissen?«, fragte Grandma.
    »Nur, wenn Miss Maggie es ihm erzählt hat.

Weitere Kostenlose Bücher