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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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aller Kräfte, bis sie sich im Mittelpunkt des ganzen Universums befand. Ihre Angst war verschwunden. Keine Gedanken quälten sie mehr. Ihr Bewußtsein war klar und ruhig wie der heilige See.
    Eilan öffnete die Augen. Die Panik war vergessen, aber das Mondlicht, das durch die Blätter fiel, schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. Wie sollte sie wissen, in welcher Richtung der Schrein lag?
    Wenn sie sich jedoch für eine Richtung entschied und lange genug lief, dann würde sie irgendwann den Waldrand erreichen. Man hatte ihr erzählt, daß ganz Albion einst von Wäldern überzogen war. Aber jetzt durchschnitten Wege, Wiesen und Felder das Land. Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis sie jemandem begegnete, der ihr den Weg zum Heiligtum zeigen konnte.
    Leise singend ging Eilan weiter. Erst später wurde ihr bewußt, daß sie das Lied angestimmt hatte, das die Priesterinnen sangen, wenn der Mond voll am Himmel stand.
    Die von den Blättern gefilterten silbernen Strahlen verwandelten die Welt. Eilan verstand, daß sie deshalb Angst bekommen hatte. Jeder Ast und jeder Zweig war wie in reines Silber getaucht. Die Blätter schimmerten, das Licht tanzte auf jedem Stein.
    Plötzlich stellte Eilan fest, daß sie mehr sah, als das Mondlicht ihr zeigen konnte. Alles Leben im Wald hatte einen eigenen Glanz angenommen, ein Strahlen, das zunahm, bis sie schließlich ebenso gut sah wie am hellichten Tag. Aber es war weder Tag noch Nacht, denn das Licht warf keine Schatten. Es war ein geheimnisvolles Leuchten, in dem die Farben des Waldes gedämpft wie seltene Edelsteine schimmerten. Mit einem leichten Schauder erkannte Eilan, daß sie die Grenze zwischen den Welten überschritten hatte.
    Ja, es war so, wie ihre Lehrerinnen es gesagt hatten: Das Land des Lebens und die Welt der Menschen waren wie die Falten eines Mantels. Wo sie sich berührten, konnte man mühelos von der einen zur anderen wechseln. Doch die Welten trafen nur manchmal zusammen, zum Beispiel dann, wenn die Priesterinnen bei Vollmond die heiligen Lieder sangen.
    Eilan blickte sich um und sah, daß in dem Wald Eichen, Haselsträucher, Weißdorn und andere Bäume wuchsen, die ihr vertraut waren. Doch es gab auch andere, die sie nicht kannte. Neben einer dicken Eiche sah sie einen Baum mit einer silbernen Rinde und kleinen goldenen Blüten. Eine Eberesche blühte weiß, aber gleichzeitig trug sie bereits rote Beeren. In der Welt der Menschen war die Zeit der Baumblüte längst vorüber, und die Beeren begannen gerade erst zu reifen.
    Der betäubende Duft der Blüten machte sie benommen. Sie sah den Weg jetzt deutlich und ging zuversichtlich weiter. In ihrer Freude und der Leichtigkeit des Gehens vergaß sie beinahe das Ziel. Nur ganz leise meldete sich die warnende Stimme der Vorsicht und sagte ihr, daß die Verführung der Sinne vielleicht die größte Gefahr bei dieser Prüfung sein mochte.
    Ihr Pflichtbewußtsein brachte sie schließlich dazu, auf einer kleinen Lichtung stehenzubleiben. Silberne Birken und Ebereschen wiegten sich im sanften Wind wie hübsch gekleidete Frauen auf einem Fest. Eilan schloß überwältigt die Augen.
    »Göttin, hilf mir! Ihr Kräfte an diesem Ort, ich verneige mich vor euch… «, flüsterte sie. »Erweist mir eure Gunst und zeigt mir den Weg, den ich gehen muß… «
    Als sie die Augen wieder aufschlug, sah sie zwischen den Bäumen einen breiten Weg, der von großen Steinen eingefaßt war. Sie lief auf ihn zu. Dann blieb sie ehrfürchtig stehen, denn vor ihr tat sich ein Heiligtum auf. Es fiel ihr nicht schwer, mit dem beinahe schwebenden Gang der Priesterinnen bei einem Ritual das Heiligtum zu betreten.
    Der Weg führte zwischen zwei großen aufrecht stehenden, behauenen Steinen hindurch, die über und über mit Spiralen und anderen Ornamenten bedeckt waren. Dahinter sah sie einen See, dessen Wasser so hell schimmerte, als spiegele sich der Mond darin.
    Mit angehaltenem Atem ging Eilan durch die hohen Steine zum See. Auch das gehörte zu ihrer Ausbildung. Sie konnte im heiligen Wasser der Göttin den Blick in die Zeit und in die Welt der geistigen Kräfte werfen.
    Ein Windstoß kräuselte die Wasseroberfläche. Als sich die Wellen wieder glätteten, war der See wie eine Schale unter der Sonne.
    In der Tiefe sah Eilan das Meer. Es schimmerte grün und blau unter einem endlosen klaren Himmel, der wie blaues Glas leuchtete. Sie versenkte sich in diesen Anblick, und der See, der Wald und die Steine um sie herum versanken. Sie

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