Die Wälder von Albion
Verantwortung unterliegt.«
»Das ist ja das Übel«, murmelte Caillean wütend. »Kannst du mir sagen, wer ihn damals zum Gott erhoben hat? Ich bin der Meinung, daß die Frauen in Vernemeton ihre Angelegenheiten selbst regeln können, ohne Ardanos um Rat fragen zu müssen.«
Lhiannon rieb ihren linken Arm, als habe sie Schmerzen. »Vergiß nicht, er ist Eilans Großvater, und es ist nur recht und billig, daß er es erfährt«, erwiderte sie sichtlich erschöpft.
Caillean bekam gegen ihren Willen ein schlechtes Gewissen. Es war deutlich, daß sich Lhiannon nicht in der Lage sah, das Problem zu lösen. Deshalb wollte sie es einem anderen aufladen. Angesichts ihrer Kraftlosigkeit konnte das im Grunde nicht überraschen.
Eilan schwieg, als habe das Geständnis ihr die ganze Kraft geraubt. Sie hatte den Blick nach innen gerichtet und schien damit anzudeuten, daß alles, was gesagt wurde, nicht das geringste mit ihr zu tun hatte, oder daß es ihr gleichgültig war.
Als Caillean das sah, dachte sie: Vielleicht hat sie recht. Was geschehen ist, gehört zu dem, das bereits vor ihrer Geburt im Gang war. Eine unergründliche Laune des Schicksals hatte Eilan zu einer Schlüsselfigur in diesem Kampf gemacht.
Sag etwas, Eilan! Es geht um dein Schicksal!
Caillean sah Eilan auffordernd an. Untätigkeit konnte gefährlich für sie werden. Eilan hatte den Konflikt ausgelöst, der alle Verantwortlichen wieder einmal zwang, sich den grundsätzlichen Problemen zu stellen, an denen sonst bequemerweise nicht gerührt wurde. Das Festhalten an den alten Verträgen war leichter, als sich der Wirklichkeit einer neuen Zeit zu stellen. Das war die Aufgabe der Generation, die Eilan verkörperte.
Ardanos konnte Caillean nichts tun. Er hatte es versucht, aber da Lhiannon sich nicht von ihrer Ziehtochter hatte trennen lassen, gehörte die gegenseitige Toleranz ebenfalls zu den ungeschriebenen Bedingungen des Vertrags. Deshalb hatte Ardanos sich mit Cailleans stummer Kritik und ihrem Festhalten an den Grundsätzen des alten Wissens abgefunden und behandelte sie, als sei sie nicht vorhanden. Sie wiederum bemühte sich, seine Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken oder ihm zu widersprechen. Aber die Zeit hatte sie alle eingeholt, weil der Vertrag gegen die Gesetze der Natur und gegen den Willen der Göttin einen machtpolitischen Kompromiß darstellte, der in seiner Verlogenheit und Falschheit alle auf eine schiefe Bahn bringen würde.
Caillean spürte das Wirken der Göttin. Sie glaubte langsam zu verstehen, welche Aufgabe Eilan in Vernemeton hatte. Die Schwangerschaft war wie ein Signal, das keiner überhören konnte. Jetzt ging es nicht nur um Eilan, sondern auch um Vernemeton und damit um die Zukunft der Priesterinnen in Albion. Ardanos wußte ebenso wie sie alle, daß Lhiannon nicht mehr lange die Kluft zwischen Lüge und Wahrheit, zwischen Politik und Orakel überbrücken konnte. Es lag nicht in ihrer Macht, denn die Kräfte verließen sie unbarmherzig vor Ablauf ihrer Zeit. In ihrer inneren Zerrissenheit zwischen ihrer göttlichen Mission und den politischen Gegebenheiten, die Ardanos ihr immer aufs neue aufzwang, war sie vorzeitig gealtert. Caillean spürte in diesem Augenblick, daß sie eingreifen mußte. Deshalb würde sie dem höchsten Druiden die Stirn bieten.
»Also gut, laß Ardanos kommen«, sagte sie laut und fügte ernst hinzu, »aber denk noch einmal gut darüber nach, bevor du Eilan in seine Hände gibst.«
»Was gibt es?« fragte Ardanos und runzelte die Stirn beim Anblick der drei Frauen, die auf ihn gewartet hatten. »Was ist so Wichtiges geschehen, daß du mich hast rufen lassen, Lhiannon?«
Die Hohepriesterin wirkte an diesem Tag besonders erschöpft und zerbrechlich. Caillean stand besorgt an ihrer Seite.
Ist sie schwer krank?
Plötzlich alarmiert, glaubte er, Eilans Anwesenheit zu verstehen. Hatten sie ihn gerufen, weil die Hohepriesterin im Sterben lag?
Aber so krank sieht sie nicht aus. Außerdem hätten sie Eilan noch nicht in Kenntnis gesetzt…
»Damit du es gleich weißt«, sagte Caillean angriffslustig, »ich habe dich nicht rufen lassen. Selbst mit meinem letzten Atemzug würde ich nicht billigen, daß du solche Macht über die Priesterinnen hier hast.«
»Weib… « Seine Stimme klang wie ein Donnerschlag. »Wovon redest du?«
»Sage nicht ›Weib‹ in diesem Ton zu mir, als seien Frauen für dich völlig belanglos. Auch du hast eine Mutter gehabt!« erwiderte Caillean wütend. »Wie können
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