Die Wälder von Albion
bestimmt gerechnet. Etwas Schlimmeres wird man wohl nicht beschließen.«
Wenn sie dich strenger bestrafen wollen, dann werden sie es mit mir zu tun bekommen!
Bei diesem Gedanken kehrte ihr alter Kampfgeist zurück.
»Du hast dich ihm hingegeben wie eine läufige Hündin!«
Die Hohepriesterin bekam plötzlich glühend rote Punkte auf den Wangen, und Eilan zuckte zurück.
»Wer hat das getan? Wer hat das gewagt?«
Eilan schüttelte nur stumm den Kopf.
»Du hast es also gewollt? Du hast nicht um Hilfe gerufen?«
Lhiannon sank auf ihren Sitz zurück.
»Du bist eine Verräterin! Wolltest du uns allen Schande machen? Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Ihr Atem ging rasselnd. Schweißtropfen standen auf ihrer Stirn. Sie ballte die Fäuste und rief zornig: »Wie konntest du dich einem Mann in die Arme werfen… nach all unserer Fürsorge… und… «
Lhiannon rang nach Worten und begann zu keuchen.
Caillean hatte zwar mit einer Szene gerechnet, aber das war schlimmer als erwartet.
Lhiannon wurde mit zunehmender gesundheitlicher Schwäche immer gereizter und unberechenbarer. Heute hatte sie jedenfalls einen ganz schlechten Tag. Aber nun war es zu spät, um das noch in Rechnung zu stellen.
Die Hohepriesterin erhob sich plötzlich, trat vor Eilan und gab ihr eine Ohrfeige. Sie richtete sich mit ihrer ganzen Kraft und Autorität auf und rief: »Glaubst du, das sei heilige Liebe gewesen? Du bist nicht viel mehr als eine Dirne! Eine Dirne und eine Schande für uns!«
Eilans Wange glühte. Caillean verstand jetzt, weshalb Eilan so lange geschwiegen hatte.
»Lhiannon… « Caillean legte der alten Frau begütigend den Arm um die Schulter und führte sie zu dem Armlehnstuhl zurück. Sie spürte, wie der Zorn sich langsam legte und Lhiannon ihre Selbstbeherrschung wiederfand. Als die Hohepriesterin saß, stützte sie den Kopf in beide Hände und fing an zu zittern.
»Die Aufregung ist nicht gut für dich. Beruhige dich, Mutter, ich werde dir etwas zu trinken geben… «
Sie ging zum Tisch und füllte einen Becher mit Tee. Mit der einen Hand stützte sie Lhiannon und mit der anderen setzte sie ihr behutsam den Becher an die Lippen. Der belebende Duft von Minze verbreitete sich im Raum, als die Hohepriesterin trank. Dann stieß sie einen langen, tiefen Seufzer aus.
Eilan stand noch immer stumm und wie erstarrt vor ihr. Als Lhiannon schließlich den Kopf hob, schien ihr Zorn verflogen zu sein.
»Setz dich!« sagte sie ungeduldig. »Ich muß sonst den Kopf verdrehen, um dich anzusehen.«
Caillean rückte schnell einen dreibeinigen Hocker für Eilan zurecht, die sich mit gesenktem Kopf setzte.
»Also… «, begann Lhiannon in ihrer normalen Stimme, »wenn man es genau betrachtet, ist nichts dabei. Ich weiß sehr wohl, einem jungen Mädchen und einem jungen Mann kommt eben nichts anderes in den Sinn. Gut, aber was nun?« Sie schwieg und dachte nach. Dann sagte sie: »Es tut mir leid, daß ich dich geschlagen habe, Kleines, aber das alles bringt unsere Pläne durcheinander… « Sie runzelte die Stirn. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen. Ich glaube, wir sollten Ardanos davon in Kenntnis setzen.«
Caillean schüttelte den Kopf. »Bei meinem Leben, ich verstehe nicht, was er damit zu tun hat!«
Sie ging erregt im Raum auf und ab. Dann sagte sie etwas ruhiger: »Eilan ist nicht die erste, die vom Beltane-Feuer entflammt wurde, und ich bin sicher, sie wird auch nicht die letzte sein. Ich gebe zu, es wäre alles einfacher, wenn Eilan einen anderen Vater hätte. Aber Ardanos und Bendeigid werden einfach damit leben müssen! Ich bin jedenfalls der Meinung, was einer Priesterin von Vernemeton widerfährt, ist ausschließlich unsere eigene Angelegenheit. Denkst du, wir sind nicht in der Lage, selbst zu wissen, was wir tun müssen?«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Lhiannon unwillig, »aber Ardanos sollte es trotzdem erfahren.«
»Warum? Welches Gesetz verlangt es? Nur die Römer machen aus den Frauen Kühe, die geduldig für ihre Männer Kinder bekommen!« Caillean redete sich immer mehr in Zorn. »Hast du wirklich so große Achtung vor ihnen?«
Lhiannon legte sich die Hand auf die Stirn. »Caillean, deine Stimme macht mir Kopfschmerzen. Warum mußt du immer gleich laut werden?« Dann sagte sie: »Gerade du solltest inzwischen wissen, daß es keine Frage der Achtung, sondern der Macht ist. Der Vertrag mit den Römern, der uns schützt, bestimmt, daß alles, was mit Vernemeton zu tun hat, seiner
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