Die Wälder von Albion
tyrannisieren.
Wie töricht war es von Eilan gewesen zu hoffen, daß die Lage sich bessern und die Frauen in Vernemeton einen größeren Einfluß gewinnen würden. Ihre hochfliegenden Träume, eine Priesterin der alten Zeit zu sein, waren wie Seifenblasen zerplatzt. Jetzt wollte sie nur noch die Frau sein, die das Kind von Gaius bekam. Auch wenn Ardanos sich diplomatisch geäußert hatte, wagte sie nicht daran zu glauben, daß man einer Heirat zwischen Gaius und ihr zustimmen würde.
Caillean und Lhiannon schienen jedenfalls der Ansicht, die Schwangerschaft sei kein Grund, Eilan die Teilnahme an den Ritualen zu untersagen. Eilan verwendete deshalb besonders viel Zeit darauf, mit den anderen neugeweihten Priesterinnen das Vollmond-Ritual zu lernen. Wenn sich Lhiannon gesundheitlich in der Lage sah, sie zu unterweisen und ihnen die Worte langsam vorsprach, dann hing Eilan zwar so ehrfürchtig an ihren Lippen wie alle anderen, aber sie konnte die Wahrheit nicht mehr verdrängen. Lhiannon war so zerbrechlich und schwach geworden, daß es Eilan immer schwerer fiel, in ihr überhaupt noch die vor kurzer Zeit so strahlende und kraftvolle Hohepriesterin zu sehen.
Nicht nur Eilan fragte sich beklommen, wie lange Lhiannon noch bei ihnen sein und wer ihre Nachfolgerin werden würde. Es kursierten viele Gerüchte, und alle waren sich darin einig, wenn es mit rechten Dinge zuginge, dann müßte es Caillean sein.
Eilan wußte jedoch, daß Ardanos ihre Wahl als Hohepriesterin nie anerkennen und von der Priesterschaft bestätigen lassen würde. Auch Miellyn war in ihrer Direktheit nicht akzeptabel und seit der Fehlgeburt meist bitter und niedergeschlagen. Eilid blieb immer im Hintergrund und kam für dieses Amt nicht in Frage, aber vielleicht war Dieda die Erwählte der Druiden. Eilan konnte sich jedoch das Leben in Vernemeton mit Dieda als Hohepriesterin nicht so recht vorstellen.
Für Eilan wurde es eine große Herausforderung zu beweisen, daß ihre Fähigkeiten als Priesterin trotz des Verlusts der Jungfernschaft nicht beeinträchtigt waren. Deshalb ging sie mit großem Ehrgeiz daran, alle Rituale Wort für Wort auswendig zu lernen. Sie hatte ein gutes Gedächtnis, und bei dem täglichen Training konnte sie es bald mit jeder Priesterin aufnehmen, und vor allem mit Dieda.
Beim nächsten Vollmond schien es Lhiannon wieder besserzugehen, und alle waren erleichtert. Aber im Verlauf des Rituals wurde ihre Stimme immer schwächer. Es gelang ihr, bis zum Ende durchzuhalten, aber dazu mußte sie ihre ganze Kraft aufbieten. Am Tag darauf brach sie zusammen. Als Caillean sie diesmal ins Bett trug, gelang es Lhiannon nicht, es wieder zu verlassen.
16. Kapitel
Es mochte Ardanos eine gewisse Genugtuung bereiten, Macellius Severus zu berichten, was sein Sohn getan hatte. Aber was immer er sich auch erhofft haben mochte, in dem Präfekten fand er einen gleichwertigen Gegenspieler. Macellius hörte sich alles mit großer Höflichkeit an und erklärte dann ruhig, Gaius sei in Londinium, um zu heiraten. Kaum war der Druide gegangen, machte sich der Präfekt daran, seine Aussage in die Tat umzusetzen.
Macellius bezweifelte nicht, daß Ardanos ihm die Wahrheit gesagt hatte. Er konnte es jedoch nicht fassen, daß er so töricht gewesen war, sich einzureden, er müsse nur Geduld haben und lange genug warten, bis die Liebe seines Sohnes zu diesem britonischen Mädchen ganz von selbst erlöschen werde. Der Junge besaß eine Hartnäckigkeit, die er von ihm geerbt hatte, und von seiner Mutter einen idealistisch verträumten Charakter.
Er rieb sich müde die Augen. Moruad hatte den Zorn ihrer ganzen Sippe auf sich geladen, nur um ihn zu heiraten. Wie konnte er das leidenschaftliche, keltische Blut seines Sohnes nur so unterschätzt haben?
Bei einem widerspenstigen Pferd oder einem aufsässigen Sklaven hätte Macellius strenge Maßnahmen ergriffen. Vielleicht fiel es ihm so schwer, seinen Sohn zur Ordnung zu rufen, weil Macellius in Gaius immer wieder Moruad sah. Doch die Ehe mit einer guten Römerin würde ihn bestimmt zur Vernunft bringen. Macellius hörte noch die Schritte des alten Druiden auf dem Steinboden im Gang hallen, da rief er schon seinen Sekretär.
Der Anblick des zornigen Präfekten bewog den jungen Valerius, keine seiner üblichen trockenen Bemerkungen zu machen. Was Macellius mit seinem Sohn auch zu besprechen hatte, die übliche Gelassenheit des Präfekten war ins Wanken geraten. Deshalb salutierte Valerius nur stumm und machte
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