Die Wälder von Albion
neugierig näher und wollten ihn begrüßen. Widerwillig wachte er auf und sah sich verwirrt um. Aber er sah niemanden außer einem stämmigen Mann in den mittleren Jahren, der sich auf einen Stock stützte. Er trug eine förmliche Toga und musterte Gaius, der aufsprang und vor Verlegenheit rot wurde.
»Gaius Macellius Severus?«
»Ja, Herr… «
»Natürlich, man sieht dir die Ähnlichkeit an.« Der alte Mann lächelte. »Ich bin Licinius. Dein Vater und ich sind so gut wie ein Leben lang Freunde. Es ist mir ein großes Vergnügen, seinen Sohn bei mir willkommen zu heißen. Geht es deinen Vater gut?«
»O ja, zumindest ging es ihm vor einigen Tagen gut, als ich ihn zuletzt gesehen habe.«
»Aha… nun ja, junger Mann, ich hatte natürlich gehofft, er würde Zeit haben, mich zu besuchen, aber du bist ebenso herzlich willkommen.«
Er setzte sich auf die Bank und bedeutete Gaius, ebenfalls wieder Platz zu nehmen.
»Da wir uns schon lange darüber einig sind, daß du meine Tochter heiratest, war ich natürlich sehr gespannt darauf, dich kennenzulernen.«
Jetzt verstand Gaius, weshalb er ohne weitere Erklärungen nach Londinium abkommandiert worden war. Sein Vater hatte bereits den Ehevertrag geschlossen!
Den ganzen Weg von Deva hatte sich Gaius geschworen, er werde sich auf keinen Fall mit solcher Eile in eine so widersinnige Heirat treiben lassen. Aber jetzt zögerte er, seinen Standpunkt sofort in aller Klarheit zu vertreten, denn angesichts der glücklich strahlenden Augen des alten Freundes seines Vaters konnte er nicht unhöflich sein.
»Ja, gewiß«, sagte er statt dessen unverbindlich, »Vater hat davon gesprochen… «
»Das will ich hoffen!« rief Licinius. »Wie gesagt, wir reden darüber seit deiner Geburt. Bei Mithras, mein Junge, wenn Macellius nicht darüber gesprochen hätte, dann müßte ich mich wirklich fragen, wo er seinen Kopf gelassen hat.«
Licinius lachte gutmütig und klopfte Gaius väterlich auf die Schulter.
Gaius ließ sich seinen Unmut nicht anmerken, aber er verstand nicht, wie zwei alte Männer Vereinbarungen treffen konnten, ohne vorher die Zustimmung derjenigen zu haben, die am meisten davon betroffen waren. Aber das sagte er nicht.
Natürlich hatte sein Vater immer wieder über diese Heirat gesprochen, aber Gaius hatte es nie wahrhaben wollen, daß die Ehe mit Julia so gut wie beschlossen war.
Wie auch immer, trotz des etwas barschen Tons war Licinius der erste freundliche Mensch, dem Gaius seit langem begegnet war. Beinahe gegen seinen Willen tat ihm die Herzlichkeit wohl. Es war schön, als ein geschätzter Freund aufgenommen zu werden. Für Licinius war es selbstverständlich, ihn wie seinen künftigen Schwiegersohn zu behandeln, und Gaius hatte es schon lange nicht mehr erlebt, daß man ihm das Gefühl gab, zu einer Familie zu gehören. Voll Wehmut dachte er daran, daß ihm Bendeigids Haus ebenfalls wie ein Zuhause erschienen war.
Eilan… Cynric… . was soll nur aus euch werden?
Gaius war verzweifelt, denn möglicherweise würde er noch nicht einmal erfahren, was mit Eilan geschah, während er hier in Londinium sein mußte.
»Also, mein Sohn«, sagte Licinius, »du wirst bestimmt deine Braut sehen wollen.«
Jetzt muß ich ihm die Wahrheit sagen! Ich darf mich nicht einfach überrumpeln lassen!
Aber Gaius brachte es nicht über sich, den alten Mann mit der nüchternen Wahrheit so bitter zu enttäuschen. Deshalb murmelte er nur etwas Unverständliches.
Werden sie Eilan wirklich etwas antun, wenn ich versuche, sie wiederzusehen?
Wenn es wirklich so war, konnte er ihr am besten dadurch helfen, daß er sich in die Pläne seines Vaters fügte.
Benutze ich das nur als Entschuldigung, um einer Aussprache aus dem Weg zu gehen? Warum bin ich nur so unsicher? Bin ich im Grunde ein Feigling?
Licinius hatte bereits einen Diener gerufen.
»Ich möchte meine Tochter sprechen«, sagte er zu dem Mann, und Gaius wußte, nun mußte er die Wahrheit bekennen und Licinius in klaren Worten sagen, daß er nicht zu dieser Farce einer vorbereiteten Heirat bereit sei - der Prokurator wartete jedoch seine Bekenntnis nicht ab, sondern stand bereits auf.
»Sie wird gleich bei dir sein. Ich werde euch jungen Leute alleinlassen, damit ihr euch kennenlernen könnt«, sagte er lächelnd. Noch bevor Gaius die richtigen Worte fand, ging er langsam ins Haus zurück.
Julia Licinia stand dem Haushalt ihres Vaters vor, seit ihre Mutter vor drei Jahren gestorben war. Da ihre Mutter keine
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