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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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alten Fehden erinnern und übereinander herfallen, anstatt über uns!«
    »Und wie viele Männer«, erkundigte sich Gaius vorsichtig, »haben wir?«
    »Von den Legionen fünfzehntausend - die Zwanzigste Valeria Victrix, die Zweite Adiutrix und was noch von der Neunten übrig ist«, antwortete einer der Tribunen, der seinem Rangabzeichen nach zur Zweiten gehörte.
    »Wir haben außerdem achttausend Mann Infanterie der Hilfstruppen. Das sind zum größten Teil Batavier und Tungrer, aber auch ein paar irreguläre Briganten, und als Flankenschutz die Kavallerie.«
    Das sagte ein Truppenkommandant, der kurz darauf aufstand und zu seinen Männern zurückkehrte.
    »Da sind wir ja beinahe in der Überzahl«, bemerkte Gaius munter, und alle lachten.
    »Es wäre wirklich kein Problem, aber sie halten die oberen Hänge.«

    Auf dem Berg, den die Römer Mons Graupius nannten, blies ein eiskalter Wind. Bei den Britonen hatte er einen anderen Namen. Sie nannten ihn ›die unsterbliche Alte‹, ›die unerbittliche Todesbotin‹ und ›die böse Winterhexe‹.
    Nach Einbruch der Nacht verstand Cynric den letzten Namen plötzlich am besten. Der Regen wurde von den Windböen gepeitscht und fiel wie eine Wasserwand in das Hochtal. Hagelkörner trommelten auf ihn ein, schlugen ihm ins Gesicht und zischten in den Flammen, als würde die Winterhexe ihn persönlich prügeln.
    Den Caledoniern schien das Wetter nichts auszumachen. Sie saßen um ihre Lagerfeuer, tranken aus den Trinkschläuchen Heidebier und feierten den Sieg, den sie am nächsten Tag erringen würden.
    Cynric zog den bunt karierten Wollumhang schließlich über den Kopf. Er hoffte, daß niemand sah, wie er am ganzen Leib zitterte.
    »Der Jäger, der am Morgen zu laut von seiner Beute prahlt, sitzt bei Einbruch der Nacht vielleicht vor einem leeren Kochtopf«, hörte er neben sich eine ruhige, tiefe Stimme.
    Cynric drehte sich zur Seite und erkannte Bendeigid. Sein helles Gewand war ein undeutlicher gespenstischer Fleck in der Dunkelheit.
    »Unsere Krieger singen immer vor einem Kampf… das macht ihnen Mut!« antwortete ein Caledonier.
    Cynric warf einen Blick auf die Männer am Feuer. Es waren Novanten einer Sippe von der Südostküste Caledoniens, wo der Salmaes-Fjord einen Bogen in Richtung Luguvallium beschrieb. Am nächsten Feuer tranken Männer aus Selgova; es waren ihre alten Erzfeinde.
    Die Flammen brannten heller, als jemand Äste in die Glut warf, und Cynric sah ihren Anführer. Der riesige Mann legte den Kopf zurück und lachte aus vollem Hals. Das Licht spiegelte sich in seinen hellblauen Augen und zuckte über die roten Haare.
    »Wir sind auf unserem eigenen Boden, Männer. Das Land wird mit uns kämpfen!« rief er laut. »Die Rotröcke treibt nur die Gier. Das ist ein kalter, berechnender Ratgeber, auf den kein Verlaß ist, aber in uns brennt das Feuer der Freiheit! Ich frage euch: Wie können wir diese Schlacht verlieren?«
    Als die Novanten seine Worte hörten, verließen sie ihr Feuer und setzen sich zu ihm. Kurze Zeit später waren die beiden Gruppen Freunde, die fröhlich zusammen tranken und sangen.
    »Er hat recht«, sagte Cynric, »es ist Calgacus gelungen, alle für diese Sache zu gewinnen. Wir sind ein Volk. Wie sollten wir den Kampf verlieren?«
    Sein Ziehvater neben ihm blieb stumm. Trotz seiner mutigen Worte spürte Cynric, daß sich die unheimliche Schlange der Angst wieder regte, die ihn seit Einbruch der Nacht nicht aus ihrer Umklammerung ließ.
    »Was hast du?« fragte er Bendeigid. »Stehen die Zeichen nicht günstig?«
    Bendeigid schüttelte den Kopf. »Keine guten, keine schlechten Zeichen… . ich glaube, der Ausgang der Schlacht ist so ungewiß, daß selbst die Götter sich nicht festlegen wollen.« Er schwieg und sagte dann ruhig: »Gewiß, wir sind im Vorteil, aber Agricola ist bestimmt ein ernstzunehmender Gegner. Calgacus ist ein großer Heerführer, aber wenn er Agricola unterschätzt, dann kann das für unsere Sache tödlich sein.«
    Cynric seufzte tief. Er hatte schwer darum gekämpft, sich unter den Männern der Stämme zu behaupten. Sie verspotteten ihn als Sohn eines besiegten Volkes, obwohl sie nicht einmal ahnten, daß er zum Teil römischer Abstammung war. Deshalb war ein trotziges, herausforderndes Wesen seine zweite Natur geworden. Aber mit seinem Ziehvater konnte er offen sprechen.
    »Ich höre sie singen, aber ich kann nicht mit einstimmen. Ich trinke, aber mein Herz bleibt kalt. Vater, wird mich morgen der Mut verlassen,

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