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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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werde.
    Gaius erschien dieser Mann plötzlich als die Verkörperung all dessen, was sein Vater unter einem Römer verstand. Agricola hatte zwar gallisches Blut, war durch Erfolge im Staatsdienst in den mittleren Rang eines Ritters aufgestiegen und hatte es schließlich zum Senator gebracht. Aber er erinnerte Gaius an einen alten Heroen des republikanischen Rom.
    Die Beamten des Licinius brachten diesem alten Mann großes Vertrauen und Zuneigung entgegen. Agricolas Offiziere jedoch dienten ihrem Feldherrn mit Leib und Seele. Deshalb gerieten ihr Vertrauen und ihre Zuversicht nicht ins Wanken, als sich die wilden Krieger der Stämme durch Kriegsrufe und ohrenbetäubendes Schlagen auf die Schilde in Kampfeswut steigerten. Alle Soldaten unter Agricolas Kommando schienen diese Haltung zu haben. Und während Gaius das ernste Gesicht beobachtete und ihrem Feldherrn zuhörte, der unbeirrt ruhig weitersprach, als rede er in seinem Zelt mit Freunden, wußte er, warum Domitian ihm mißtraute.
    Wer dieses Vertrauen wecken kann, der ist zum Kaiser geschaffen. Vielleicht hat Domitian recht, ihn zu fürchten.
    Die Caledonier hielten die Hänge besetzt; ihre Reihen schienen sich bis zum Gipfel hinaufzuziehen. Nun rasten inmitten von Reitern auf wendigen Pferden, die in vollem Galopp und in jedem Gelände auf Schenkeldruck oder die Zügel reagierten, ihre Streitwagen herab. Die Wagenlenker standen schwankend auf den geflochtenen Wagen, während die Speerwerfer neben ihnen ihre blitzenden Waffen hoben und lachten.
    Für Gaius war dies ein Bild der Schönheit und des Schreckens. Er wußte, er sah die kriegerische Seele Britanniens vor sich, so wie Caesar und Frontinus sie erblickt hatten. Aber er ahnte auch, daß nach dieser Schlacht von all ihrem ruhmvollen Glanz nichts bleiben würde.
    Die Kriegswagen rasten näher und wendeten erst im letzten Augenblick, während die Wurfspieße mit einem dumpfen Geräusch die römischen Schilde trafen. Die Krieger liefen auf den Deichseln zwischen den Pferden entlang, warfen ihre blitzenden Schwerter in die Luft und fingen sie wieder auf. Es sah aus, als sei der Kampf für sie ein Fest, zu dem sie sich geschmückt hatten. Ihre goldenen Torques und Armreifen glänzten. Einige trugen Helm und Rüstung, aber die meisten kämpften in den buntkarierten Tuniken oder halbnackt. Die Haut war mit blauen Spiralen bemalt. Gaius hörte über dem Gepolter der Wagen das jubelnde Rasen, ihren Siegesgesang, und er empfand keine Angst, sondern nur schreckliche Trauer.
    Einer der Tribunen protestierte, als Agricola absaß. Aber der Feldherr schüttelte den Kopf und ließ seinen Schimmel von einem Mann wegführen. In den Gesichtern der Offiziere stand grimmige Entschlossenheit, denn nun war für alle deutlich, welches Geschick seinem Heer auch drohen mochte, Agricola würde nicht fliehen.
    Sie werden alle ihr Leben opfern, um ihn zu beschützen… auch ich!
    Für Gaius gab es keine Zweifel mehr, wem seine Treue galt. Er war Römer und würde an der Seite dieses großen Feldherrn kämpfen und siegen oder sterben.
    Einige Offiziere folgten dem Beispiel Agricolas und saßen ab. Andere erhielten Einsatzbefehle und galoppierten zu ihren Truppen. Gaius saß unschlüssig auf seinem Hengst und wartete.
    »Du… «, Agricola winkte ihn mit einer Geste zu sich, »du reitest zu den Tungrern und sagst ihnen, sie sollen die Front weiter auseinanderziehen. Ich weiß, das schwächt ihre Mitte, aber ich möchte nicht, daß es dem Feind gelingt, uns zu umzingeln. Sag ihnen das.«
    Als Gaius seinen Hengst zum Galopp antrieb, hörte er hinter sich den dumpfen Aufprall der Wurfspieße, die sich in die Schilde bohrten. Die Wagen der Feinde scherten aus, und ihre Krieger der ersten Linie griffen zu Fuß an.
    Gaius beugte sich über den Hals seines Hengstes und trieb ihn an. Dort, wo die beiden Heere zum ersten wütenden Schlagabtausch aufeinanderprallten, war kein guter Platz zum Verweilen. Bald sah er die Standarte der Tungrer vor sich, und die Front öffnete sich kurz, um ihn durchzulassen. Er machte seine Meldung und blieb hinter den Soldaten, die sofort nach beiden Seiten ausschwärmten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Angriff der Feinde sich ebenfalls ausfächerte.
    Die Krieger der Stämme kämpften gut. Er sah, wie sie die römischen Speere geschickt mit ihren Rundschilden abwehrten. Ihre Langschwerter waren sogar noch länger als die römischen Spata. Es waren Hiebwaffen mit stumpfer Spitze, aber die Seiten der Klingen waren

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