Die Wälder von Albion
denn du hast deine Sache hier gut gemacht.«
»Wird die Reiterei verlegt?«
Gaius sah ihn verblüfft an. Vor einer solchen Veränderung gab es im allgemeinen viele Gerüchte.
»Nein, das ist es ja, was ich bedaure. Es geht nur um dich. Du bist zum Stab des Statthalters von Britannien versetzt worden. Mir scheint, es hat eine Art Aufstand gegeben, und sie brauchen dort einen Mann mit deinem Wissen und deinen Erfahrungen.«
Die Raben!
Gaius dachte sofort an Cynric und sein haßverzerrtes Gesicht damals im Gefangenenlager.
Ich werde in Zukunft meine Vorahnungen ernster nehmen…
Bestimmt hatte Licinius bei dieser Berufung seine Hand im Spiel. Als ein Offizier unter vielen, wie er es hier war, gehörte schon eine sehr große Portion Glück dazu, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Aber wenn es ihm gelang, einen Aufstand niederzuschlagen…
Licinius beglückwünschte sich zweifellos dafür, daß er einen Weg gefunden hatte, um seinem Schwiegersohn zu einer Beförderung zu verhelfen und ihn gleichzeitig nach Britannien zurückzurufen. Nur Gaius konnte wissen, daß diese Aufgabe bedeutete, einen Mann zu vernichten, der einmal sein Freund gewesen war.
Gaius bedankte sich bei dem Kommandanten, dessen letzte Worte er kaum noch hörte, und ging zu seiner Unterkunft zurück, um zu packen.
Als die Tage länger wurden, und Beltane näherrückte, zirkulierten im ganzen Land Gerüchte über den Aufstand der Raben.
Eilan hatte gehofft, daß der Statthalter der Provinz als Reaktion auf die Rebellion alle öffentlichen Veranstaltungen verbieten werde. Aber es hatte den Anschein, als sei es die Politik der Römer, die Raben nicht ernst zu nehmen, um damit dem Volk ohne Worte klarzumachen, daß jeder Widerstand zwecklos sei und für die Machthaber ein Nichts. Von den Flüchtlingen wußte Eilan jedoch, daß Cynric zu seinen Freunden in den Norden zurückgekehrt war. Er hatte sein Truppenaufgebot aus den Überlebenden der Schlacht am Mons Graupius zusammengestellt, und die Raben waren die Führer seiner Streitmacht.
Da sich die Römer in der Zwischenzeit aus dem verödeten Land zurückgezogen hatten und die wenigen Menschen außer ihrem Haß wenig besaßen, war ein solches Unterfangen in Caledonien nicht schwer gewesen.
Danach aber hatte er versucht, den Widerstand in Brigantia zu schüren. Dort waren die Römer nach der brutalen Niederschlagung der Rebellion des Venuntius darangegangen, die Provinz wiederaufzubauen. Vermutlich hatte ein Mann der Briganten oder eine Frau wie Cartimandua die Raben verraten, weil diese ein Leben in Ketten den römischen Schwertern vorzogen.
Allein oder zu zweit schlugen sich die Raben zum Heiligtum im Süden durch. Sie waren verwundet oder verzweifelt, und Eilan übergab sie der Obhut ihrer vertrauenswürdigsten Frauen. Sie erhielten neue Namen, neue Kleidung und wurden weitergeschickt.
Von solchen Männern erfuhr Eilan, daß Cynric mit den Überresten seiner Streitmacht noch im Norden war und von einer Spezialeinheit der Legionäre gejagt wurde. Die Caledonier waren in ihren Bergen untergetaucht, aber die Raben hatten keine Sippen und keine Familien, zu denen sie fliehen konnten, wenn sie in Not gerieten.
Die Flüchtlinge, die nach Vernemeton kamen, waren alle in Cynrics Alter, aber die Entbehrungen und Härten hatte sie bereits zu alten Männern gemacht.
Eilan sah sie mit Bestürzung an, denn an den Gesichtern einiger war wie bei ihrem Gawen die römische Abstammung erkennbar.
Der Merlin hatte ihr gesagt, es sei notwendig, daß sich das Blut Roms mit dem der Stämme mischte. Aber er hatte nicht gesagt, ob das in Freundschaft oder über viele Generationen hinweg geschehen sollte, in denen Männer Kinder zeugen und sterben würden, während die verzweifelten Frauen allein und in der Hand der Feinde zurückblieben.
Ardanos und Lhiannon hatten sich im Gedenken an die Tragödie von Mona zu einer Politik der Mäßigung entschlossen, weil sie darin das geringere Übel sahen. Bendeigid und Cynric waren offenbar der Ansicht, daß der Tod ehrloser Sklaverei vorzuziehen sei.
Eilan sah, wie Gawen heranwuchs, und sie wußte nur, sie würde ihr Kind nicht aufgrund von Haß und Unversöhnlichkeit sterben lassen.
Mit den langen Tagen kam schließlich Beltane, und die Priesterinnen von Vernemeton machten sich zu der Prozession bereit, um der Göttin auf dem Festplatz zu huldigen.
Schon von weitem sahen sie den Schein der großen Feuer und die zuckenden Flammen, die sich in feuriger Glut vom
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