Die Wälder von Albion
antworten konnte. Aber seine Worte waren das Ergebnis militärischer Disziplin.
»Weit können sie noch nicht sein. Die Soldaten sollen das Gebiet durchkämmen. Ich bleibe hier, bis alle wieder zurück sind.«
Steifbeinig saß er ab und ging langsam zu den Druiden. Der Hengst folgte ihm mit hängendem Kopf. Bei seinem Näherkommen bewegte sich Ardanos und sah den römischen Offizier schuldbewußt an.
»Das war nicht mein Werk… «, murmelte Ardanos. »Er hat die Göttin gerufen… Plötzlich stand er da!«
Gaius nickte. Er kannte die Politik des höchsten Druiden gut genug, um ihm Glauben zu schenken. Der Schrei jener geisterhaften Frau hatte sie alle gelähmt und den Rebellen die Zeit verschafft, die sie benötigten, um in der Dunkelheit zu verschwinden.
Gaius ging wortlos weiter und auf die Priesterinnen zu. Es überraschte ihn nicht, als er plötzlich vor Caillean stand, die ihn mit hoch erhobenem Kopf trotzig ansah. Aber Gaius wollte die Frau sehen, die auf dem Boden lag.
Er machte noch einen Schritt und blickte in das Gesicht einer Frau - sie war blaß und bewußtlos.
In den leblosen Zügen konnte er noch einen Anflug der Wut erkennen, die ihm in dieser Nacht begegnet war. Gaius erschauerte und wußte mit erschreckender Sicherheit, daß es die Göttin gewesen war, gleichzeitig aber auch Eilan.
23. Kapitel
In den Tagen nach dem Kampf auf dem Hügel von Vernemeton verfolgte die römische Reiterei die Raben. Die Aktion blieb jedoch ohne Erfolg. Die Rebellen waren untergetaucht, und das Volk in der Umgebung war so verschlossen und unzugänglich wie der Wald, dem das Geheimnis des Verstecks der Raben ebenfalls nicht zu entlocken war. Gaius blieb deshalb nichts anderes übrig, als die Suchaktion abzubrechen und mit seinen Leuten nach Deva zurückzukehren.
Er hatte das Gefühl, zweigeteilt zu sein. Äußerlich souverän berichtete er dem Legaten sachlich den Ausgang der Operation und kehrte dann nach Londinium zurück, um dort die Geschichte dem Statthalter der Provinz vorzutragen. Die Verantwortlichen kamen zu dem Schluß, die Bevölkerung habe ein Warnsignal erhalten, und werteten seinen Einsatz als einen strategischen Erfolg.
Die andere Seite seines Wesens dagegen versuchte, die Maske des Zorns und der Wut, die er gesehen hatte, mit dem Gesicht der Frau in Einklang zu bringen, die er liebte. Er machte sich im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten nichts vor. Die Hohepriesterin des Orakels hatte ihnen den Kampf angesagt; und Gaius hatte zum ersten Mal erlebt, daß es eine Kraft gab, die aus einem römischen Reitertrupp kopflose Spielzeugsoldaten machen konnte. Gaius hatte den Angriff geführt und war an der Macht einer Frau gescheitert, die ihm verschlossen war, denn er hatte diese Frau, er hatte Eilan endgültig verloren.
Julia umgab ihn mit weiblicher Fürsorge, aber bald begannen ihn Alpträume zu quälen. Deshalb kamen sie überein, es sei besser, wenn er einige Zeit allein schlafen würde. Julia schien das nichts auszumachen, denn sie blieb freundlich wie immer. Aber in seiner Abwesenheit hatte sich ihre Konzentration auf die Kinder verlagert. Die Mädchen wuchsen schnell heran. Es waren kleine Ebenbilder ihrer Mutter, obwohl Gaius manchmal in den Augen seiner ältesten Tochter einen Anflug der Willenskraft seines Vaters zu erkennen glaubte. Seine Töchter waren gehorsam und gut erzogen, aber er blieb für sie ein Fremder. Es schmerzte Gaius ein wenig, daß ihr Lachen verstummte, wenn er den Raum betrat, in dem sie spielten. Er konnte jedoch nicht umhin, sich selbst die Schuld daran zu geben. Wenn er sich die Zeit nahm und sich mit ihnen beschäftigte, dann würde die trennende Distanz zwischen ihnen vermutlich zu überwinden sein.
Aber genau dazu konnte er sich nicht durchringen - besonders jetzt nicht, da sein Herz ihm sagte, die Entscheidung sei gefallen. Eilan war die Hohepriesterin des Orakels. Sie kämpfte für ihr Volk, aber er hatte das Volk seiner Mutter verraten und stand im Lager der Römer, deren militärische Überlegenheit doch zum Scheitern verurteilt war. Hinter den Festungen, Legionen und von Beamten und Freigelassenen verwalteten Gesetzen stand eine moralisch ausgehöhlte Gesellschaft, die in ihrer Anmaßung nicht mehr sah, daß die Künstlichkeit ihrer Welt eines Tages in sich zusammenfallen mußte wie ein Kartenhaus.
Eilan hatte ihm einen Sohn geschenkt. Gemeinsam hätten sie einen Weg finden können, wenn er den Blick für die wahren Kräfte des Lebens nicht verloren hätte. Das
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