Die Wälder von Albion
Morgen sollten wir daran denken, daß wir vielleicht nicht die aufgehende Sonne sehen, sondern den Anfang des großen Weltenbrandes. Dann werden wir mit unseren Lieben wiedervereint sein. Hast du das gewußt?«
Gaius schüttelte den Kopf. Wie konnte eine Frau mit Julias Bildung an solches Geschwätz glauben? Aber Frauen, das wußte man, waren eben leichtgläubig. Deshalb konnte man ihnen auch keine verantwortungsvollen Ämter übertragen. Gaius schloß nicht aus, daß sich die Christen mit ihren Prophezeiungen die Ängste der Menschen wegen des despotischen Kaisers zunutze machten und mit dem Weltuntergang drohten.
»Willst du eine Anhängerin des Nazareners werden… dieses Propheten der Sklaven und abtrünnigen Juden?« fragte er.
»Ich weiß nicht, wie ein denkender Mensch etwas anderes tun könnte«, erwiderte Julia, ohne nachzudenken.
Gut, dann bin ich offenbar kein denkender Mensch… jedenfalls nicht einer, wie Julia ihn sich vorstellt.
Er fragte jedoch nur: »Was wird Licinius dazu sagen?«
»Es wird ihm nicht gefallen«, antwortete Julia traurig, »Aber seit dem… Tod unserer Kinder… «, ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, »habe ich mich nicht mehr so sicher gefühlt. Ich weiß einfach, daß ich mich nicht irre.«
Sie hat den Verstand verloren!
Gaius zog es vor zu schweigen. Offenbar brauchte Julia diese Hirngespinste als Trost. In letzter Zeit schien sie wirklich wieder etwas glücklicher zu sein.
»Also gut, tu, was du für richtig hältst«, sagte er, »ich werde nicht versuchen, dich daran zu hindern.«
Sie sah ihn fast etwas enttäuscht an, dann erklärte sie selbstsicher: »Wenn du wüßtest, was richtig ist, würdest du auch ein Nazarener werden.«
»Meine liebe Julia, du hast mir schon oft gesagt, daß ich nicht weiß, was richtig ist«, erwiderte er wegwerfend. Als sie daraufhin auf den Boden starrte und schwieg, wußte er, daß sie ihm noch etwas zu sagen hatte.
»Was ist?« fragte er.
»Ich möchte es dir nicht vor den Kindern sagen… «, stammelte sie. Gaius lachte, nahm ihren Arm und ging mit ihr ins Nebenzimmer.
»Also, was kannst du mir nicht vor den Kindern sagen, Julia?«
Wieder schlug sie die Augen nieder. »Vater Petros sagt… . weil das Ende der Welt naht… «, sie suchte vergeblich nach den richtigen Worten. »… ist es besser, wenn alle verheirateten Frauen… und auch Männer… Keuschheit geloben.«
Gaius schlug sich mit der Hand auf die Stirn und lachte laut.
»Dir ist doch klar, daß es nach dem Gesetz ein Scheidungsgrund ist, wenn du dich deinem Mann verweigerst«, sagte er.
Julia hatte sich offensichtlich auf diese Frage gut vorbereitet und erklärte: »Im himmlischen Paradies gibt es keine Ehe und keine Scheidung.«
»Gut, dann wäre ja alles geklärt«, sagte Gaius und lachte wieder. »Mir liegt nichts an deinem Paradies… zumindest nicht an dem Teil, über den dein Vater Petros das Sagen hat.«
Dann fügte er ruhig hinzu, und wußte, das würde sie nicht gerne hören: »Leg alle deine Gelübde ab, mein Schatz. Da du ohnedies im letzten Jahr im Bett so liebevoll zu mir gewesen bist wie ein Besenstiel, wird sich für mich kaum etwas ändern.«
Ihre Augen wurden vor Überraschung groß. »Dann wirst du mir keine Schwierigkeiten machen?«
»Nein, liebe Julia. Aber es ist nur gerecht, darauf hinzuweisen, wenn du dich nicht mehr an unsere Ehe gebunden fühlst, dann kannst du es auch nicht mehr von mir verlangen.«
Er wußte, daß er ihr mit diesen Worten eine große Szene genommen hatte, die sie ihm hatte machen wollen. Sie hatte vermutlich geglaubt, er werde zornig sein oder sie anflehen.
»Ich würde von dir niemals verlangen, ein Keuschheitsgelübde abzulegen«, sagte sie spitz. »Du würdest diesen Schwur ohnehin brechen. Glaubst du, ich weiß nicht, weshalb du im letzten Jahr diese hübsche Sklavin gekauft hast? Die Götter sind meine Zeugen, sie ist in der Küche zu nichts zu gebrauchen, aber natürlich steht sie unter deinem besonderen Schutz… « Als er auch darauf nicht reagierte, sagte sie anklagend: »Wer schon so viele Sünden auf seine Seele geladen hat… «
Aber Gaius hatte genug von diesem Gerede. Er beabsichtigte nicht, mit Julia über seine Seele - was immer sie darunter verstehen mochte - zu sprechen, und fiel ihr ins Wort.
»Ich bin für meine Seele selbst verantwortlich.«
Damit drehte er sich um und ging in sein Schreibzimmer. Dort stellte er fest, daß Julia ihm bereits ein Bett aufgeschlagen hatte. Sie hatte also
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