Die Wälder von Albion
Heirat offen zur Opposition bekannte, konnte das gefährlich sein.
Der alte Macellius sprach wenig darüber, aber Gaius wußte, daß eine Rebellion vorbereitet wurde. Nach dem Sturz des Kaisers würde sich alles ändern. Deshalb fand Gaius, es sei besser, sich keine Gedanken um die eigene Zukunft zu machen, bis er wußte, ob es für ihn überhaupt eine Zukunft gab.
Der Tempel der Nazarener war zu einem Teil von Julias Schmuck gekauft worden, auf den sie inzwischen offenbar keinen Wert mehr legte. Gaius war neugierig zu sehen, was Julia für das Gold und Silber eingetauscht hatte. Als sie sich schließlich auf den Weg machten, sah er zu seiner Überraschung, daß seine Töchter mit den Kindermädchen und offenbar die Hälfte des Personals ebenfalls zu diesem Gottesdienst gingen.
»Warum kommen sie alle mit?« fragte Gaius nicht gerade freundlich. Es war besprochen, daß sie anschließend über Nacht bei Macellius bleiben würden. Aber sein Vater war nicht auf die vielen Dienstboten vorbereitet.
»Sie sind alle Mitglieder der Gemeinde«, erwiderte Julia sehr zufrieden.
Gaius verschlug es die Sprache. Er hätte nie daran gedacht, Julias Haushaltsführung zu kritisieren, aber daß sie in ihrem Glaubenseifer so weit ging, war wirklich eine Überraschung.
Julia fügte schnell hinzu: »Sie kehren anschließend zur Villa zurück. Ich kann ihnen doch nicht die Teilnahme am Gottesdienst verwehren.«
Sie könnte es schon, aber sie will es nicht!
Wieder einmal hielt er es für klüger, im Augenblick zu schweigen.
Die Kirche der Christen war ein großes Gebäude, das früher einem Weinhändler gehört hatte. In den Geruch nach Wein mischten sich der Duft der Kerzen und der vielen Blumen auf dem Altar. Gaius sah an den weiß gestrichenen Wänden unbeholfen gemalte Bilder, die einen Hirten mit einem Schaf, einen Fisch und Männer in einem Boot zeigten.
Als sie eintraten, machte Julia ein geheimnisvolles Zeichen, und zu seinem Unwillen bemerkte er, daß Cella, Tertia und Quartilla es ihr gleichtaten. Hatte Julia nicht nur die Dienerinnen, sondern auch ihre Töchter zu dem neuen Glauben bekehrt?
Ärgerlich dachte er, daß die Christen offenbar nichts anderes im Sinn hatten, als den Verband der Familie auszuhöhlen.
Julia setzte sich auf eine harte Holzbank in der Nähe der Tür. Ihre Mägde und die Töchter drängten sich um sie. Gaius blieb hinter ihr stehen und sah sich neugierig um. Die meisten Gläubigen schienen arme Leute zu sein. Er verstand nicht, wie sich die sonst überhebliche Julia in diesem Kreis so wohl fühlen konnte. Dann entdeckte er ein Gesicht, das er kannte - Senara, das Mädchen, das Brigittas Töchter in die Stadt gebracht hatte.
Senara hatte ihm gesagt, daß sie die Zusammenkünfte der Christen besuchte, und er mußte sich eingestehen, daß er vor allem deshalb so schnell bereit gewesen war, Julias Wunsch zu erfüllen, sie in den Tempel der Nazarener zu begleiten. Ja, er hatte gehofft, Senara hier wiederzusehen.
Ein kahlgeschorener Priester in einem langen grobgewebten Gewand trat ein. Ihm folgten zwei Knaben. Der eine trug ein großes Holzkreuz und der andere eine brennende dicke Kerze. In einigem Abstand schritten ältere Männer - Julia hatte ihm gesagt, es seien Diakone. Einer trug ein dickes in Leder gebundenes Buch. Er hatte einen langen schwarzen Bart und blickte sehr ernst. Als er das Buch auf das große Lesepult legte, stolperte er über ein Kind, das in den Gang gekrabbelt war.
Das Kind fing jedoch nicht an zu weinen oder lief davon, sondern lachte ihn an. Der Diakon beugte sich hinunter und legte dem Kind lächelnd die Hand auf den Lockenkopf. Dann griff der Vater, offenbar ein Schmied mit verrußten muskulösen Armen, nach dem Kleinen und setzte ihn auf seine Knie.
Es folgten Gebete und Anrufungen. Die Gemeinde wurde mit Weihrauch und Wasser von ihren Sünden gereinigt. All das glich den römischen Zeremonien, und Gaius fand nichts Besonderes daran, obwohl die Priester und die Diakone kein besonders gutes Latein sprachen. Als sie sich schließlich in der Nähe des Altars auf eine Bank setzten, trat unter dem ehrfürchtigen Gemurmel der Gemeinde ein Mann vor.
Es überraschte Gaius nicht, Vater Petros zu sehen, der neben den anderen ungepflegt und struppig wirkte. Der Einsiedler richtete seinen Blick mit solcher Intensität auf die Gläubigen, daß sich Gaius spöttisch fragte, ob der arme Mann kurzsichtig sei. Dann begann Vater Petros mit der Predigt.
»Unser Herr hat einmal
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