Die Wälder von Albion
ernst. »Was rede ich da! Ich sollte wirklich nicht an Girlanden denken.«
Gaius sah, daß Dieda etwas erwidern wollte, es sich aber doch anders überlegte. Gaius fragte sich, ob es daran lag, daß er ein Fremder war. Sie warf die Blüten beiseite und begann, den Korb einzuräumen. Eilan und Senara hatten ihre Girlanden geflochten und zeigten sie stolz Gaius.
»Helft mir lieber«, sagte Dieda, »Rheis wird böse sein, wenn wir etwas von dem Geschirr vergessen. Komm, Senara, hier ist noch ein Stück Kuchen für dich.«
Senara nahm den Kuchen, den Dieda ihr reichte, und brach ihn in zwei Hälften. Die eine gab sie Gaius.
»Wir essen jetzt zusammen den Kuchen, und dann bist du mein Gast«, erklärte sie ernst. »Du bist schon beinahe mein Bruder.«
»Sei nicht so albern, Senara«, sagte Eilan kopfschüttelnd, »Gawen, laß dich nicht von ihr zum Narren machen.«
»Ach, laß sie nur«, erwiderte er, »sie erinnert mich an meine kleine Schwester.« Er schwankte beim Aufstehen, und Eilan griff sofort nach seinem Arm und stützte ihn. Sie gab Dieda ihre Girlanden.
»Es war bestimmt zuviel für dich, Gawen«, sagte sie besorgt. »Sei vorsichtig, daß du dir den Arm nicht an einem Baumstamm anstößt.«
Er ließ sich geduldig von ihr führen.
»He, Eilan, du bist ja schon eine richtige Heilerin«, rief Cynric. »Gawen, wenn du willst, kannst du dich auf mich stützen. Aber natürlich ist Eilan sehr viel hübscher als ich. Vielleicht sollte ich lieber Dieda helfen«, sagte er.
Seine gute Stimmung war zurückgekehrt. Er nahm Dieda den Korb ab und umfaßte ihre Hand. Zusammen gingen sie den Weg zurück. Als sie den Hof erreicht hatten, sagte Cynric zu Eilan: »Ich glaube, er sollte sofort ins Bett und nicht zum Abendessen aufbleiben. Du kannst es ihm ja bringen. Ich habe mir mit seiner Schulter große Mühe gegeben und möchte wirklich nicht, daß alles umsonst war.«
3. Kapitel
Das Haus, in dem Lhiannon, die Hohepriesterin, lebte, war quadratisch wie ein Schrein. Es hatte einen überdachten Bogengang und stand etwas abseits von den anderen Häusern in dem von Palisaden umgrenzten Gelände des Heiligtums der Göttin. Hier lebte eine große Gemeinschaft in vielen Gebäuden, die dicht beinanderlagen und meist durch überdachte Gänge verbunden waren. Außerdem gab es große und kleine Gärten und windgeschützte Innenhöfe. Auf Außenstehende wirkte es wie ein Labyrinth, in dem man sich leicht verirren konnte.
Nur das Haus der Hohenpriesterin stand etwas erhöht und abseits von den anderen Gebäuden, denn sie konnte nicht an dem Leben der Gemeinschaft teilnehmen wie alle anderen Frauen, sondern lebte seit vielen Jahren in strenger Zurückgezogenheit und Schlichtheit - und das war vielleicht schwieriger durchzuhalten als das härteste Ritual.
Als der höchste Druide eintraf, führte ihn die diensthabende Priesterin, eine große dunkelhaarige Frau mit dem Namen Caillean, sofort zu ihrer Herrin. Caillean trug das gleiche lange dunkelblaue Leinengewand wie Lhiannon, aber die Armreifen und der Torque am Hals der Hohenpriesterin waren aus reinem Gold, die von Caillean dagegen aus Silber.
»Du kannst uns alleinlassen, mein Kind«, sagte Lhiannon zu Caillean.
Ardanos wartete, bis der gestreifte Vorhang die Türöffnung wieder verdeckte. Dann lächelte er.
»Sie ist kein Kind mehr, Lhiannon. Es sind viele Winter vergangen, seit du sie hierher nach Vernemeton gebracht hast.«
»Ach ja, ich vergesse immer wieder, wie die Zeit vergeht«, erwiderte Lhiannon.
Sie ist, dachte Ardanos sachlich, noch immer eine außergewöhnlich schöne Frau. Er kannte sie seit vielen Jahren und war vermutlich der einzige Mensch ihrer Generation, der für sie beinahe so etwas wie ein Freund war. In jüngeren Jahren hatte ihm die schöne Lhiannon viele schlaflose Nächte verursacht. Jetzt war er alt und erinnerte sich nur noch selten daran, wie oft sie ihm in der Vergangenheit den Seelenfrieden geraubt hatte.
Alle Priesterinnen im Heiligtum, dem Hain neben dem See unterhalb der heiligen Quelle, wurden ebensosehr wegen ihrer Schönheit als wegen ihrer anderen Eigenschaften ausgewählt.
Das hatte ihn schon immer irritiert. Er konnte verstehen, wenn ein Gott wünschte, daß ihm schöne Frauen dienten, besonders wenn es sich um einen dieser nichtswürdigen römischen Götter handelte. Aber daß eine Göttin bemerkenswert schöne Dienerinnen um sich wünschte, entsprach keineswegs dem, was er von Frauen wußte.
Sein Schweigen hing in keiner Weise
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