Die Wälder von Albion
können sich bestimmt nicht vorstellen, was geschieht, wenn sich ihr Wunsch erfüllt.«
Ardanos lächelte.
Sie kennt mich so gut. Selbst heute noch kann sie meine Gedanken zu Ende denken.
»Wir wissen, daß es diese Leute gibt, seit Cäsar in Britannien einmarschiert ist, um den Ruhm zu gewinnen, den er für seine Herrschaft in Rom brauchte. Aber auch heute noch erwarten die Leute, daß Vernemeton, daß wir in ihr Geschrei einstimmen«, sagte Ardanos und fügte leise, aber mit Nachdruck hinzu: »Und sie werden kein Verständnis dafür haben, wenn wir schweigen. Deshalb mache ich mir Sorgen, daß es an Beltane zu Ausschreitungen kommen wird.«
»Nein, ich glaube, an Beltane wird nichts dergleichen geschehen«, widersprach Lhiannon. »Die Leute kommen zu den Spielen, zu den Feuern, den Feiern und allem anderen. Ja, wenn es Samhain wäre, dann… «
»Die Sache mit den Zwangsarbeitern hat die Lage verschärft«, sagte Ardanos. »Die Römer haben dreißig von Bendeigids Männern mitgenommen, und zwar die Sklaven, die freigelassen wurden, als man ihn geächtet hat. Außerdem haben sie seinen Schwiegersohn umgebracht.«
Er lachte bitter.
»Geächtet! Mein hitzköpfiger Schwiegersohn weiß nicht, welches Glück er hatte, daß sie ihn geächtet haben. Das bedeutet doch nur, daß er sich Deva bis auf zwanzig Meilen nicht nähern darf!«
Ardanos sah Lhiannon an und seufzte.
»Bendeigid weiß noch nicht alles von der letzten Aushebung der Zwangsarbeiter, aber wenn er es erfährt… Du weißt, er hat mich schon öfter als Verräter bezeichnet. Seine Beschimpfungen kümmern mich zwar nicht, aber er ist in seinem Zorn zu allem fähig.«
Er sah Lhiannon wieder an und fuhr eindringlich fort:
»Ich habe die Genehmigung für die Feierlichkeiten an Beltane. Ich bin persönlich zu Macellius Severus gegangen und habe mir von ihm die Zustimmung zu einem friedlichen Fest geben lassen, so wie es in den letzten sieben oder acht Jahren stattgefunden hat. Ein Fest zu Ehren von Ceres, wie die romanisierten Völker die Göttin nennen. Und weil Macellius mich kennt und mir vertraut, schicken die Römer keine Legionäre, um sicherzustellen, daß alles im Rahmen bleibt und die Menge nicht plötzlich beschließt«, er verzog die Lippen, »sagen wir… Mars zu huldigen.«
Lhiannon schwieg. Ardanos wußte, sie dachte an jene Tage voll Blut und Feuer, als Boudicca der Göttin Menschen geopfert hatte, um den Sieg zu erringen. Damals waren sie alle noch jung gewesen. Sie hatten nicht daran gezweifelt, daß es ihnen gelingen werde, mit etwas Mut und scharfen Schwertern die ruhmreiche Zeit zurückzubringen.
»Wenn es zu Unruhen kommt«, sagte Ardanos, »oder auch nur zu Unmutsbekundungen, dann weißt du ebensogut wie ich, daß dieser Teil des Landes in Schutt und Asche versinkt.«
Er machte eine Pause. Als Lhiannon immer noch schwieg, fuhr er fort: »Wie hätte ich wissen sollen, daß die römischen Legionäre einfach durch unser Gebiet marschieren und dreißig Männer mitnehmen, die für den Rest ihres Lebens in den schrecklichen Bleiminen schuften müssen?«
Er hätte es wissen sollen. Es war seine Pflicht zu wissen, was die Römer vorhatten, noch ehe sie es selbst richtig wußten. Ardanos mußte jederzeit auf die nächste Provokation gefaßt sein, worin sie auch bestehen mochte.
Lhiannon sagte: »Wenn wir das Ritual jetzt noch absagen, hat das vermutlich Unruhen zur Folge, zu denen es sonst überhaupt nicht gekommen wäre. Möchtest du, daß ich dieses Risiko eingehe? Hat es bereits Zwischenfälle gegeben - Reaktionen auf die Aushebung der Zwangsarbeiter?«
»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte er ausweichend, »jemand scheint versucht zu haben, den Sohn des Präfekten… verschwinden zu lassen… «
»Den Sohn des Präfekten?« Lhiannon hob die schmale Augenbraue. »Aus Protest oder um unsere Leute in Schwierigkeiten zu bringen? Wie ich Bendeigid kenne, würde er doch eher die Legionäre töten, wenn sie versuchen, seine Männer wegzuführen.«
»Er hat den jungen Mann in einer Fallgrube gefunden und ihm das Leben gerettet. Jetzt ist er Gast in seinem Haus.«
Lhiannon sah ihn einen Augenblick verblüfft an und lachte dann. »Und dein Schwiegersohn weiß nicht, wer dieser Gast ist?«
»Der Junge sieht seiner silurischen Mutter ähnlich und kann durchaus als einer der unseren gelten. Er ist klug genug, seine wahre Identität nicht zu verraten. Aber er muß erst wieder richtig gesund werden, ehe er das Haus verlassen kann. Wenn dem
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