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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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bei mir gesehen, und du weißt in deinem Inneren, daß es möglich ist.« Sie nahm Eilans schlanke weiße Finger in die eigenen kühlen Hände und blies auf Eilans Handfläche.
    »So«, sagte sie dann, »du mußt vor allem Vertrauen zu dir selbst haben. Greif schnell in das Feuer und nimm ein paar der glühenden Kohlen in die Hand. Das Feuer kann dir nur schaden, wenn du glaubst, daß es das Wesen des Feuers ist, zu verbrennen. Aber wenn du das wahre geistige Wesen des Feuers kennst, dann ist die Glut für dich dasselbe wie eine Handvoll trockener Blätter. Feuer brennt in dir als die Kraft des Lebens. Dieselbe Kraft brennt auch dort.« Sie deutete in die Flammen. »Wie kann eine Flamme der anderen schaden? Deine Lebenskraft brennt in dir so hell wie das Feuer. Werde eins mit ihm!«
    Eilan überließ sich den Worten der Priesterin. Sie vertraute ihr völlig. Sie blickte nach innen, entfachte die Flamme ihres Herzens und beugte sich über das Feuer. Die Hitze traf ihr Gesicht, aber Caillean sagte ruhig und entschlossen: »Du darfst nicht zögern - tu es schnell!«
    Eilan streckte die Hand in die Flammen.
    Auf den Wangen spürte sie noch immer die Hitze, aber zu ihrer Verblüffung war die Glut so kühl wie Schnee. Caillean sah ihr Staunen und sagte: »Laß los! Laß die Glut wieder fallen!«
    Eilan öffnete die Finger, die Glut fiel auf die Steine vor dem Feuer, und im selben Augenblick spürte sie die Hitze auch in der Hand. Eilan zog sie schnell zurück und betrachtete sie staunend.
    »Habe ich das wirklich getan?«
    »O ja«, sagte Caillean. Ein Stück glühende Holzkohle war auf ein wollenes Tuch gefallen, und der Stoff begann zu schwelen. Der stechende Geruch brennender Wolle verbreitete sich im Raum. Caillean hob das Tuch schnell auf und blies die Flammen aus.
    Eilan fragte sie: »Wieso wußtest du, daß ich mich im nächsten Augenblick verbrennen würde?«
    Die Priesterin antwortete: »Ich habe gespürt, wie du angefangen hast nachzudenken, zu staunen und… zu zweifeln. Zweifel ist der größte Feind jeder Magie. Wir lernen diese Dinge, um das einfache Volk mit Wundern und Zaubertricks zu beeindrucken, oder auch, um uns bei Gefahr zu schützen. Aber du mußt lernen«, sagte sie ernst, »daß es nicht richtig ist, die jungen Seelen beeindrucken zu wollen. Selbst wenn es darum geht, dich vor Gefahren zu schützen, darfst du nicht ohne weiteres etwas tun, was wie ein Wunder erscheinen mag.« Nachdenklich fuhr sie fort: »Vielleicht war es nicht allzu klug, meine Fähigkeiten in jener Nacht in Mairis Haus anzuwenden. Aber was geschehen ist, ist geschehen.« Sie blickte Eilan ernst an. »Du weißt jetzt, was möglich ist, und mußt lernen, wann es richtig ist, solche Dinge zu benutzen, und wann nicht.«

    Während der Vorbereitungen auf die einzelnen Feste lernten die Novizinnen nicht nur die Geschichte der Götter, die damit geehrt wurden, sondern auch die Bedeutung, die hinter den Worten lag. In vielen Fällen wurden nur symbolische Wahrheiten und keine Tatsachen überliefert. Sie sprachen über die Jungfräulichkeit von Arianrod und über das Schicksal des heldenhaften Sohnes, den sie so widerwillig bekam. Sie beschäftigten sich auch eingehend mit Gwions Verwandlungen, und sie lernten das geheime Wissen vom Heiligen König und der Höchsten Herrscherin. In den dunkelsten Tagen des Winters dachten sie über die Mysterien der Schattengöttinnen nach, deren blutige Gesichter und verwelkten Leiber die Ängste der Männer verkörperten.
    »Aber warum fürchten sich die Männer vor alten Frauen?« fragte Eilid. »Alte Männer sind für sie nicht erschreckend!«
    »Ein alter Mann wird zu einem Weisen. Und danach strebt jeder Mann«, erwiderte Caillean. »Die Männer fürchten sich vor der alten Frau, weil sie ihrer Macht entzogen ist. Mit dem Einsetzen der Mondblutungen wird ein Mädchen zur Frau. Sie braucht einen Mann, um eine Mutter zu werden. Und eine Mutter braucht den Mann zum Schutz ihrer Kinder. Aber die alten Frauen wissen um alle Geheimnisse von Geburt und Tod. Sie haben sich nach dem Ende der Blutungen selbst wiedergeboren und brauchen niemanden mehr. Deshalb haben die Männer Angst vor ihnen, denn sie kennen nur die erste Verwandlung, die ihnen die Männlichkeit bringt.«

    Lhiannon war allen Frauen in Vernemeton heilig, auch wenn die Jüngeren spät abends im Schlafsaal manchmal über die Älteren lachten. Eilan fragte sich oft, ob die Hohepriesterin auch die Wiedergeburt durchgemacht hatte, von der

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