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Die Wälder von Albion

Die Wälder von Albion

Titel: Die Wälder von Albion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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verholzt. Aber du hast recht, die Blätter sehen sich sehr ähnlich.«
    »Man muß sich so viel einprägen, und ich darf nichts vergessen!« rief Eilan. Dann fragte sie: »Wenn unser Volk nicht immer hier gelebt hat, wie hat es denn das ganze Wissen erworben?«
    »Die Menschen sind ihrem Wesen nach Wanderer«, antwortete Miellyn, »du wirst es nicht glauben, aber das gilt auch für uns. Jedes Volk ist von irgendwoher gekommen und hat die Besonderheiten des Landes von denen gelernt, die vor ihm da waren. Die letzten unserer Stämme sind erst etwa hundert Jahre vor den Römern auf diese Insel gekommen und ungefähr aus demselben Teil der Welt wie sie.«
    »Man sollte denken, daß die Römer mehr über uns wissen, wenn wir einmal Nachbarn gewesen sind«, sagte Eilan.
    »Sie wissen genug über unsere Krieger, um Angst vor ihnen zu haben«, erwiderte, Miellyn und lachte. »Vielleicht haben sie deshalb so viele Schauergeschichten über uns verbreitet. Sag mal, Eilan, hast du schon einmal gesehen, daß auf unserem Altar ein Mann oder eine Frau verbrannt wird?«
    »Nein. Es wird niemand getötet mit Ausnahme von Verbrechern«, erwiderte Eilan. »Warum tun die Römer das… Wie können sie uns solche Märchen anhängen?«
    »Warum nicht? Sie sind dumm«, sagte Miellyn verächtlich. »Alles, was sie wissen, schreiben sie auf Leder, gewachste Holztafeln oder auf Stein und halten das für Weisheit. Was nützt einem Stein das Wissen? Selbst ich als junge Priesterin weiß, daß es auf das Verständnis ankommt, das im Herzen liegt. Nur dieses Wissen macht einen Menschen klug. Kannst du die Bedeutung der Kräuter aus einem Buch lernen? Es reicht nicht einmal aus, wenn einem gesagt wird, was sie bewirken. Nein, man muß die Pflanzen selbst suchen, sie beobachten, sie lieben und sehen, wie sie wachsen. Erst dann kann man sie zum Heilen benutzen, denn dann versteht man ihr Wesen und die Sprache der geistigen Kräfte, die in ihnen wohnen.«
    »Vielleicht wissen die Frauen der Römer mehr«, sagte Eilan. »Ich habe gehört, daß bei ihnen nicht alle Frauen die Kunst des Schreibens lernen dürfen.« Sie lachte leise und sagte dann: »Ich möchte wissen, welches Wissen, das den Männern verschlossen ist, die Mütter ihren Töchtern weitergeben.«
    Miellyn verzog das Gesicht. »Vielleicht befürchten sie, daß sie nicht genug Arbeit für die Schriftgelehrten und Schreiber haben, die auf den Märkten ihr Können verkaufen, wenn Frauen lesen und schreiben können.«
    »Das hat Caillean auch schon gesagt.« Eilan blieb nachdenklich stehen. »Sie ist oft so bitter in ihren Äußerungen, und ich kann ihren Gedanken kaum folgen. Manchmal habe ich den Eindruck, daß sie unzufrieden ist, weil ich nicht alles sofort verstehe.«
    »Mach dir nicht so viel Gedanken über das, was Caillean sagt oder nicht sagt«, erwiderte Miellyn. »Ich habe gehört, daß sie ein sehr schweres Leben hatte, und manchmal ist sie in ihren Ansichten etwas… übertrieben. Aber es stimmt, die Römer halten nicht viel von den Fähigkeiten der Frauen.«
    »Dann sind sie verrückt.«
    »Ich weiß es, und du weißt es, was Frauen können«, erwiderte Miellyn, »aber es gibt Römer, die wissen es nicht. Hoffen wir, daß sie es noch in unserem Leben lernen. Auch unsere Priester sind manchmal verrückt und wollen uns verbieten, bestimmte Dinge zu tun.«
    »Zum Beispiel Harfe spielen… «, murmelte Eilan und nickte.
    Miellyn sah unter einem Baum wilden Thymian. Sie lief zu der Stelle, bückte sich und schnitt mit einem gebogenen kleinen Messer die kurzen Stengel ab. Eilan stieg der starke Duft sofort in die Nase.
    »Ich habe gehört, daß du Harfe spielen möchtest. Warum sprichst du nicht mit Caillean darüber? Sie hat doch eine Harfe… «
    »Hast du mir nicht gesagt, es sei keine Harfe… ?«
    »Richtig, Caillean hat mir einmal ausführlich den Unterschied zwischen einer Harfe und einer Leier erklärt.« Miellyn lächelte spöttisch. »Die Saiten laufen unten in ein Gehäuse und sind nicht über einen Rahmen gespannt, aber die Töne klingen sehr ähnlich. Caillean kennt viele Lieder aus Eriu. Sie sind sehr eigenartig und ihre Melodien erinnern irgendwie an das Meer. Sie kennt auch alle die alten Lieder.« Sie schwieg und fügte dann hinzu: »Nun ja, es ist nicht verwunderlich, daß wir durch unsere Ausbildung alle ein besseres Gedächtnis als die meisten Menschen haben. Hätten die Druiden erlaubt, daß Priesterinnen als Sängerinnen ausgebildet werden, dann wäre Caillean

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