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Die Waffen des Lichtboten

Die Waffen des Lichtboten

Titel: Die Waffen des Lichtboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Windes.
    »Es sind Totenvögel!« gab Syreno zurück. »Aasvögel!«
    »Wir nennen sie Hakengeier«, rief Socorra. »Sie kreisen über den Kadavern von Tieren und über Leichen.«
    Zuerst waren es nur drei Geier, die mit schweren Flügelschlägen versuchten, über die Sturmwolken hinwegzufliegen. Dann jagten mit dem Wind zwei mächtige schwarze Körper heran und schraubten sich schräg in die Höhe. Wieder prasselte ein kurzer, wütender Regenschauer herunter. Ohne dass die Reiter es merkten, riss sich das reiterlose Pferd los, keilte mehrmals aus, stieg auf die Hinterbeine hoch und stob dann in gestrecktem Galopp zurück zum Totenkopffelsen.
    Hinter den Hügeln rauschte ein breiter Regenschleier herunter. Er verdeckte einige Zeit lang den Blick auf die Staubschleier, die niedrig dahinrasenden Wolken und die schwarzen Riesenvögel, die immer zahlreicher geworden waren. Der wütende Hagel dicker Tropfen riss ebenso plötzlich ab, wie er herangerast war. Die Reiter hoben die Köpfe und zogen die Kapuzen höher in die Stirnen.
    »Es sind mehr Geier geworden. Mindestens ein Dutzend«, rief Griffo, der Reiter, der mit ihnen von der Karawane gekommen war.
    »Zwölf Geier oder mehr – dies hat etwas zu bedeuten.«
    Luxon merkte, dass die Regentropfen einen Teil der Tarnung seiner Waffen weggewaschen hatten. Aber noch konnte er dieses Problem beiseite schieben. Niemand sah ihn jetzt, und noch war genug von der Schlammkruste übrig. Das Fell der Pferdebeine war schwarz vor Nässe geworden. Der Wind kam und ging schneidender in einzelnen Stößen. Der Himmel wurde klar, und jetzt sahen sie die kreisenden Geier deutlich. Sie zogen in geringer Höhe ihre Kreise über dem Gelände, durch das die Straße der Elemente verlief.
    »Weiter! Wir sehen nach. Unser Weg führt uns genau an diese Stelle«, entschied Luxon.
    Immer wieder sahen sie sich um und versuchten zu erkennen, ob jemand sie verfolgte oder ihnen auflauerte. Aber das zerklüftete Tal voller grüner Pflanzen und Weiden zwischen Bergen und Hügeln war tatsächlich leer. Nur am unmittelbaren Rand der Pilgerstraße schien es Bewegung zu geben.
    Luxon führte die kleine Gruppe an. Vor ihnen baute sich die triefende Mauer aus Büschen auf. Die Pferde und das Orhako brachen durch die nassen Zweige hindurch und befanden sich, scharf herumgerissen, nach wenigen Sprüngen und Trabschritten wieder auf dem festgestampften Erdreich der Pilgerstraße.
    Socorras Gesicht, voller Staub und durchzogen von den Bahnen aus Schweiß und Regenwasser, zeigte deutlich seine Sorge. Immer wieder starrte er hinauf zu den sichelförmigen Silhouetten der Hakengeier. Die Tiere kreisten nun enger und waren abermals tiefer über dem Abschnitt der Straße. Im weichen Rand der Straße zeichneten sich die tiefen, frischen Abdrücke von Reitvogelklauen ab.
    »Luxon!« rief er. Luxon wandte sich halb im Sattel herum.
    »Du hast Sorgen?« gab der Sohn des Shallad zurück.
    »Ja. Sieh – die Geier!«
    Die riesigen Hakengeier falteten ihre dunklen Schwingen zusammen, streckten ihre Klauen und Köpfe aus und ließen sich senkrecht fallen. Der Windstoß, der die Reiter in die Rücken traf, trieb auch die Vögel ab. Sie verschwanden vorübergehend hinter den Bäumen, dem Hang und den Felsen. Dann machte die Straße einen weit ausgezogenen Bogen.
    Die Reiter sahen gerade noch, wie die Geier kurz vor dem Boden ihre Schwingen auseinanderrissen, ihren rasenden Flug abbremsten und sich auf die regungslosen Körper von Tieren und Menschen fallen ließen. Durch das Trommeln der Hufe ertönten die gierigen, heiseren Schreie der Aasvögel. Die Leichen waren bedeckt von kleinen, rostfarbenen Tieren, die an der Kleidung und an der Haut rissen, und von ebenso kleinen schwarzen Vögeln. Sie hackten mit spitzen Schnäbeln auf den Leichen und Kadavern herum.
    Kalathee schrie entsetzt auf. »Es sind Pferde! Luxon! Es ist unsere…«
    Luxon, Socorra, Griffo und Kalathee zügelten scharf die Pferde. Rechts und links von ihnen lagen tote Reittiere. Pfeile steckten in den Körpern, aus tiefen Stichwunden war das Blut ausgetreten und vom Regen weggewaschen worden. Dunkle Flecken in Sand und Staub breiteten sich aus. Ein Sattelgurt war gerissen. Ein toter Reiter, von den Tieren grässlich zugerichtet, lag unweit des Pferdes. Ein abgebrochener Pfeil ragte aus seinem Rücken.
    »Es ist unsere Karawane. Sie wurde überfallen!« stieß Luxon hervor, sprang aus dem Sattel und führte sein Pferd zwischen den bewegungslosen Körpern

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