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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Doktor Bresser. »Wir müßten unserer Hundert sein, um das Erforderliche tun zu können. Es fehlt an Instrumenten und Medikamenten – und hälfen uns auch diese? Die Überfüllung dieser Ortschaften ist derart, daß der Ausbruch gefährlicher Epidemien droht. Die erste Sorge ist stets die, so viel Verwundete als möglich wegzubefördern, aber ihr Zustand ist zumeist ein so jammervoller, daß kein Gewissen den Transport auf sich nehmen kann ... sie fortschaffen heißt, sie töten; sie dort lassen, heißt den Hospitalbrand herbeiführen – eine schwere Alternative! Was ich in diesen Tagen – seit der Schlacht von Königgrätz, Schauriges und Trauriges gesehen, das übersteigt alle Begriffe. Sie müssen sich auf das Schlimmste gefaßt machen, Frau Simon.«
    »Ich habe langjährige Erfahrung und Mut. Je größer das Elend, desto mehr steigt meine Willenskraft.«
    »Ich weiß. Dieser Ruf ist Ihnen vorausgegangen. Ich hingegen, wenn ich so viel Elend sehe, fühle allen Mut sinken und es stockt mir das Herz. Hunderte – ja Tausende von Hilfsbedürftigen um Hilfe flehen hören und nicht helfen können – es ist gräßlich! In all diesen um das Schlachtfeld eiligst errichteten Ambulancen fehlte es an Erquickungsmitteln; vor allem: kein Wasser. Die meisten vorhandenen Brunnen sind von den Bewohnern unbrauchbar gemacht worden ... weit und breit kein Stück Brot aufzutreiben .... Alle Räume, die ein Dach tragen: Kirchen, Meierhöfe, Schlösser, Hütten, sind mit Kranken gefüllt – alles, was einem Wagen gleicht, wird mit einer Ladung Verwundeter weggeführt ... Die Straßen bedecken sich nach allen Richtungen mit solchen Höllenkarren – denn wahrlich, was da an Leiden auf Rädern rollt, das ist höllisch. Da liegen sie – Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten – von Blut, Staub und Schmutz, bis zur Unkenntlichkeit entstellte, mit Wunden, für die es keine menschenmögliche Hilfe gibt, Klagetöne, Schreie ausstoßend, die nichts Menschliches haben – und doch: die noch schreien können, sind die Beklagenswertesten nicht ....«
    »Da sterben wohl viele unterwegs?«
    »Gewiß. Oder wenn sie abgeladen worden – in irgendeinem überfüllten Raum – enden sie still und unbemerkt auf dem ersten besten Bündel Stroh, auf welches sie sich fallen ließen. Manche still – manche aber auch in verzweifeltem Todeskampf tobend und rasend, die haarsträubensten Flüche ausstoßend .... Solche Flüche mußte wohl jener Herr Twinnig aus London gehört haben, der bei der Genfer Konferenz folgenden Vorschlag machte: »Wenn der Zustand eines Verwundeten nicht die geringste Hoffnung der Heilung übrig läßt, wäre es in diesem Falle nicht angemessen, daß man ihm erst den Trost der Religion spende, ihm, so weit es die Umstände gestatten, einen Augenblick der Sammlung lasse und dann seiner Agonie auf die wenigst schmerzliche Weise ein Ende mache? Man verhinderte dadurch, daß er wenige Augenblicke später stirbt, das Fieber im Gehirn und vielleicht die Gotteslästerung auf der Zunge.«
    »Wie unchristlich !« rief Frau Simon.
    »Was? Das Gnadenstoßgeben?«
    »Nein – die Ansicht, daß eine inmitten der unerträglichsten Martern ausgestoßene Lästerung der Seele des Gemarterten gefährlich werden könne ... So ungerecht ist der Gott der Christen nicht und sicher nimmt er jeden gefallenen Krieger in Gnaden auf« ...
    »Mohammeds Paradies wird auch jedem Türken zugesichert, der einen Christen erschlagen hat«, entgegnete Bresser. »Glauben Sie mir, geehrte Frau Simon, jene Gottheiten alle, welche als kriegslenkend dargestellt werden und deren Beistand und Segen die Priester und Befehlshaber den Kämpfern als Mordlohn versprechen, die sind alle für Lästerungen gleich taub wie für Bitten. Sehen Sie dort hinauf: jener Stern erster Größe, mit rötlichem Lichte – man sieht ihn nur alle zwei Jahre über unseren Häuptern flimmern – oder vielmehr leuchten , er flimmert nicht – das ist der Planet Mars – das dem Kriegsgott gewidmete Gestirn; jenem Gott, der in der alten Zeit so gefürchtet und geehrt wurde, daß er weit mehr Tempel besaß, als die Göttin der Liebe. Schon in der Schlacht bei Marathon, schon in dem engen Paß der Thermopylen hat jener Stern dem Kampf der Menschen blutfarbig vorgeleuchtet und zu ihm stiegen die Flüche der Gefallenen auf; ihn beschuldigten sie ihres Unglücks, während er ahnungslos und friedlich – damals wie heute – die Sonne umkreiste. Feindliche Gestirne? ... die gibt es nicht. Der Mensch

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