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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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Seiten .... Alles finster – –
    »Licht! Da macht doch vor allem Licht!« schrie Frau Simon.
    O weh, alles mögliche hatten wir mitgebracht: Schokolade und Fleischextrakt, Zigarren und Leinwandstreifen – aber an eine Kerze hatte niemand gedacht. Keine Möglichkeit, das Dunkel, das uns und die Unglücklichen umgab, aufzuhellen! Nur eine Schachtel Zündhölzer, welche der Doktor in der Tasche trug, half uns für einige Sekunden die schrecklichen Bilder zu sehen, welche diese Stätte des Elends füllten. Der Fuß glitt auf dem von Blut schlüpfrigen Boden aus, wenn man sich weiter bewegen wollte. Was nun? Zu den hundert Verzweifelten, welche hier stöhnten und seufzten, waren nur noch ein paar Verzweifelnde und Seufzende mehr hinzugekommen: »Was nun, was nun?«
    »Ich will das Haus des Pfarrers aufsuchen«, sagte Frau Simon, »oder sonst im Dorfe Beistand holen. Kommen Sie, Doktor, geleiten Sie mich mit Ihren Streichhölzern zum Ausgang zurück; und Sie, Frau Martha, bleiben indessen hier –«
    Hier, allein – im Finstern, inmitten dieser wimmernden Leute, in dem erstickenden Geruch? Das war eine Lage! Mir schauderte bis in das Knochenmark. Aber ich widersprach nicht.
    »Ja,« sagte ich, – »ich bleibe an dieser Stelle und warte, bis Sie mit Licht zurückkommen.«
    »Nein,« rief Bresser, indem er meinen Arm in den seinen schob, »kommen Sie mit – Sie dürfen in diesem Fegefeuer nicht zurückbleiben – unter den vielleicht fiebertollen Menschen.«
    Ich war dem Freunde für dieses Vorgehen dankbar und klammerte mich fest an seinen Arm – das Zurückbleiben in diesen Räumen hätte mich vielleicht wahnsinnig gemacht vor Angst .... Ach, ich war doch ein feiges, hilfloses Geschöpf, dem Unglück und dem Schrecken nicht gewachsen, in welche ich mich da begeben hatte .... Warum war ich nicht zu Hause geblieben? Dennoch, wenn ich Friedrich wiederfände? Wer weiß, ob er nicht in diesen dunklen Räumen lag, die wir eben verließen? Ich rief – während des Hinausgehens – öfter seinen Namen, aber das gehoffte und gefürchtete »Hier bin ich, Martha!« ward mir nicht zurückgerufen.
    Wir traten wieder ins Freie. Der Wagen stand noch auf derselben Stelle. Doktor Bresser entschied, daß ich wieder aufsteigen sollte. »Frau Simon und ich gehen indessen im Dorfe Hilfe suchen« sagte er, »und Sie bleiben hier.«
    Ich fügte mich gern, denn meine Füße konnten mich kaum tragen. Der Doktor half mir aufsteigen und richtete mir mit dem umliegenden Stroh einen Sitz zurecht. Zwei Soldaten blieben bei dem Wagen zurück. Die übrigen wurden von Frau Simon und dem Doktor mitgenommen.
    Nach einer halben Stunde ungefähr kam die ganze Expedition zurück. Erfolglos. Der Pfarrhof zerstört, wie alles andere, und leer; sämtliche Häuser Ruinen; nirgends ein Licht aufzutreiben gewesen: – es blieb jetzt nichts anderes übrig, als den Anbruch des Tages abzuwarten. Wieviele von den Unglücklichen, denen unser Kommen schon Hoffnung erweckt hatte und welche unsere Hilfe jetzt noch hätte retten können, würden in dieser Nacht wohl sterben?
    War das eine lange, bange Nacht! Obwohl tatsächlich nur noch drei bis vier Stunden bis zu Sonnenaufgang vergingen, wie endlos mußten uns diese Stunden scheinen, deren Verlauf – statt durch die Pendelschläge einer Uhr – durch die ohnmächtigen Hilferufe leidender Menschen markiert war.
    Endlich dämmerte der Morgen. Jetzt konnte gehandelt werden. Frau Simon und Doktor Bresser machten sich neuerdings auf den Weg, um vielleicht doch noch einige der versteckten Dorfbewohner aufzustöbern. Es gelang. Aus den Trümmern krochen hier und da ein paar Bauern hervor – zuerst störrisch und mißtrauisch; als jedoch Doktor Bresser sie in ihrer Muttersprache anredete und Frau Simon mit ihrer sanften Stimme ihnen zusetzte, ließen sie sich herbei, ihre Dienste zu leihen. Es hieß vor allem, noch sämtliche anderen versteckten Einwohner auftreiben, damit sie bei der Arbeit behilflich seien: die umherliegenden Toten begraben, die Brunnen instand setzen, um für die Lebenden Wasser zu schöpfen; die auf den Wegen zerstreuten Feldkessel zusammensuchen, um Geschirre zu schaffen; die Tornister der Gestorbenen und Gefallenen ausleeren und die darin befindliche Wäsche für die Verwundeten verwenden. Jetzt kam auch ein preußischer Stabsarzt mit Leuten und Hilfsmitteln an – und so konnte endlich mit einigem Erfolg daran gegangen werden, den Unglücklichen Hilfe zu bringen. Nun war auch für mich der

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