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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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schon seit mehreren Stunden hier ... eine herrliche Frau! Rasch entschlossen, umsichtig ... Jetzt ist sie eben beschäftigt, die hier liegenden Verwundeten in leerstehende Eisenbahnwaggons unterzubringen. Sie hat erfahren, daß in einem nahen Orte – in Horonewos – die Not am größten sei. Dort will sie hinfahren und ich begleite sie.«
    »Ich auch Dokter Bresser! Lassen Sie mich mitkommen«...
    »Wo denken Sie hin, Baronin Martha? Sie, so zart und verwöhnt – derlei harte, bitterharte Arbeit – – – –«
    »Was soll ich sonst hier tun?« unterbrach ich. »Wenn Sie mein Freund sind, Doktor, helfen Sie mir mein Vorhaben ausführen ... ich will ja alles tun, jeden Dienst verrichten ... Stellen Sie mich der Frau Simon als freiwillige Krankenpflegerin vor und nehmen Sie mich mit – aus Barmherzigkeit nehmen Sie mich mit!«
    »Wohlan, Ihr Wille geschehe. Da ist die tapfere Frau – kommen Sie« ...
    Als mich Doktor Bresser zu Frau Simon geführt und mich derselben als Krankenpflegerin vorstellte, nickte sie mit dem Kopfe, wandte sich aber sogleich wieder ab, um einen Befehl zu erteilen. Ihre Züge konnte ich in dem zweifelhaften Lichte nicht erkennen.
    Fünf Minuten später waren wir auf der Fahrt nach Horonewos. Ein Leiterwagen, der eben von dort Verwundete gebracht, diente uns als Fahrgelegenheit. Wir saßen auf dem Stroh, das vielleicht noch blutig war von der vorigen Fracht. Der Soldat, welcher neben dem Kutscher saß, hielt eine Laterne, welche unsteten Schein auf unsere Straße warf. »Böser Traum – böser Traum«; immer mehr und mehr hatte ich den Eindruck, einen solchen durchzumachen. Das Einzige, was mich an die Wirklichkeit meiner Lage mahnte und was mir zugleich eine Beruhigung war, war Doktor Bressers Nähe. Ich hatte meine Hand in die seine gelegt und sein anderer Arm unterstützte mich:
    »Lehnen Sie sich an mich, Baronin Martha – armes Kind« sagte er sanft.
    Ich lehnte mich an, so gut ich konnte, aber doch: welche Folterlage: Wenn man sein ganzes Leben lang gewohnt war, auf schwellenden Sitzen, sprungfederigen Wagen und weichen Betten zu ruhen, wie schwer fällt es da – zumal nach einer ermüdenden Tagereise in einem schüttelnden Leiterwagen zu sitzen, dessen harter Brettergrund nur mit einer Lage blutfeuchten Strohes gepolstert ist. Und ich war doch unverletzt – wie muß erst denen zu Mute sein, die mit zerschmetterten Gliedern, mit hervorstehenden Knochensplittern auf solchem Fuhrwerk über Stock und Stein gejagt werden?
    Bleischwer fielen mir die Lider zu. Ein wehtuendes Schläfrigkeitsgefühl peinigte mich. Bei der Unbequemlichkeit meiner Lage – alle Glieder schmerzten mich – bei der Erregtheit meiner Nerven war ja Schlaf unmöglich; grausamer wirkte das nicht zu bannende Schlafbedürfnis. Gedanken und Bilder, so verworren wie Fieberträume, wirbelten in meinem Hirn. Alle die Schauerszenen, welche der Regimentsarzt erzählt hatte, wiederholten sich vor meinem Geist, teils mit den Worten des Erzählers selbst, teils als die Gesichts- und die Gehörsvorstellungen, welche diese Worte hervorgerufen hatten: ich sah die schaufelnden Totengräber, sah die Hyänen einherschleichen, hörte die verzweifelten Opfer des in Brand geschossenen Lazaretts schreien; und dazwischen fielen, als würden sie laut und in des Regimentsarztes Stimme gesprochen, Worte wie: Aaskrähen, Marketenderbude, Sanitätspatrouille. Das hinderte mich aber nicht daneben auch noch das Gespräch zu vernehmen, welches meine Wagengefährten halblaut miteinander führten: ... »Ein Teil der geschlagenen Armee flüchtete nach Königgrätz«, erzählte Doktor Bresser. »Die Festung aber war verschlossen und von den Wällen wurde auf die Flüchtigen geschossen – namentlich auf die Sachsen, die man in der Dämmerung für Preußen hielt. Hunderte stürzten sich in die Wallgräben und ertranken .... An der Elbe stockte die Flucht und die Verwirrung erreichte den höchsten Grad. Die Brücken waren von Pferden und Kanonen so vollgestopft, daß das Fußvolk keinen Platz mehr fand ... Tausende stürzten sich in die Elbe – auch Verwundete« ...
    »Es soll entsetzlich sein in Horonewos«, sagte Frau Simon. »Alles von seinen Bewohnern verlassen – Dorf und Schloß. Sämtliche innere Räume zerstört und doch mit hilflosen Verwundeten angefüllt .... Wie wohl wird den Unglücklichen die Labung tun, die wir ihnen bringen! Aber es wird zu wenig – zu wenig sein!«
    »Und zu wenig auch unsere ärztliche Hilfe«, versetzte

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