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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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jetzt war es ein Jubelruf – denn nunmehr hatte ich verstanden; es war kein Traum; ich war fortgewesen und heimgekehrt und sollte den Gatten wiedersehen!
    Eine Viertelstunde später trat ich bei ihm ein. Allein. – Ich hatte mir ausgebeten, daß niemand mit mir komme. Bei unserem Wiederfinden sollte kein Dritter anwesend sein.
    »Friedrich!« – »Martha!« Ich war auf das Ruhebett hingestürzt, auf dem er lag und schluchzte an seiner Brust.
    * * *
    Es war dies das zweitemal im Leben, daß mir der geliebte Gatte aus den Gefahren des Krieges zurückgegeben ward.
    O die Seligkeit, ihn wieder zu haben! Wie kam ich, gerade ich dazu, mitten aus der Schmerzensflut, in der so viele untergegangen, an ein sicheres, glückliches Ufer gelangt zu sein? Wohl denen, die in solcher Lage freudig den Blick zum Himmel heben und dem Lenker oben warmen Dank emporsenden; durch diesen Dank, den sie, weil er demütig gesprochen wird, auch für demütig halten, von dem sie gar nicht ahnen, wie anmaßend und selbst überhebend er im Grunde ist, fühlen sie sich entlastet; damit haben sie für den ihnen verliehenen Vorzug, den sie Huld und Gnade nennen, nach ihrer Meinung genügend quittiert. Ich war das nicht imstande. Wenn ich an die Elenden dachte, die ich an jenen Jammerstätten gesehen, und an die beklagenswerten Mütter und Frauen dachte, deren Lieben von demselben Schicksal, das mich begünstigt hatte, in Qual und Tod gestürzt worden –, da konnte ich unmöglich so unbescheiden sein diese Begegnung als eine göttlich beabsichtigte anzunehmen, für die ich berechtigt wäre, zu danken. Mir fiel ein, wie neulich einmal Frau Walter, unsere Haushälterin, mit einem Besen über einen Schrank fuhr, worauf eine Schar zuckerwitternder Ameisen wimmelte – so fegte das Schicksal über die böhmischen Schlachtfelder weg; – die armen schwarzen Arbeiterinnen waren zumeist zerdrückt, getötet, verstreut, nur einige blieben unversehrt. Wäre es wohl von diesen vernünftig und angemessen gewesen, wenn sie der Frau Walter dafür innigen Dank emporgesendet hätten? ... Nein, ich konnte durch die Freude des Wiedersehens, so groß diese auch war, das Weh aus meinem Herzen nicht vollständig bannen – ich konnte nicht und wollte nicht. Zu helfen war ich nicht imstande gewesen; verbinden, pflegen, warten – wie jene barmherzigen Schwestern, wie die tapfere Frau Simon es getan – dazu hatten meine Kräfte nicht gereicht. Aber die Barmherzigkeit, die aus Mitgefühl besteht, die habe ich den armen Mitgeschöpfen doch angedeihen lassen und die durfte ich nicht, in egoistischem Vollvergnügen, ihnen wieder entziehen – ich durfte nicht vergessen .
    Aber wenn auch nicht frohlocken und danken – lieben , den Wiedergefundenen hundertfach zärtlich in mein Herz schließen: das durfte ich wohl ....
    »O Friedrich, Friedrich!« wiederholte ich unter Tränen und Liebkosungen, »habe ich dich wieder!«
    »Und du wolltest mich suchen und pflegen? Wie heldenhaft und wie töricht, Martha!«
    »Töricht, ja – das sehe ich ein. Die rufende Stimme, die mich fortzog, war Einbildung, war Aberglaube, denn du riefst mich nicht. Aber heldenhaft? Nein. Wenn du wüßtest, wie feig ich mich dem Elend gegenüber erwies! Ich habe Entsetzliches gesehen, Friedrich, was ich nie vergessen werde. O unsere schöne Welt, wie kann man sie nur so verderben, Friedrich? Eine Welt, in der zwei Wesen einander so lieben können, wie ich und du – in der solches Feuerglück lodern kann, wie unser Einssein – wie mag die nur so töricht sein, die Flammen des tod- und jammerbringenden Hasses zu schüren?«
    »Ich habe auch etwas Entsetzliches gesehen, Martha – etwas, das ich nie vergessen kann. Denke dir – auf mich losstürzend, mit gehobener Klinge – es war während eines Kavalleriegefechts bei Sadowa – auf mich losstürzend – Gottfried von Tessow.«
    »Tante Korneliens Sohn?«
    »Derselbe. Er hat mich zur rechten Zeit erkannt und senkte die bereits hiebbereite Waffe –«
    »Da hat er eigentlich gegen seine Pflicht gehandelt, wie? Einen Feind seines Königs und Vaterlandes verschont – unter dem nichtigen Vorwand, daß derselbe ein lieber Freund und Vetter sei ...«
    »Das arme Bürschchen! Kaum hatte er den Arm sinken lassen, so sauste ein Säbel über seinen Kopf ... Es war mein Nebenmann, ein junger Offizier der seinen Oberstleutnant schützen wollte und –«
    Friedrich hielt inne und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.
    »Getötet?« fragte ich schaudernd.
    Er

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