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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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einziges Kind etwa verlieren zu müssen – ein Brief, über den wir Zwei bittere Tränen vergossen. Und wenn wir abends im Kreise beisammen saßen, da gab es nicht heiteres, scherzgewürztes Geplauder, Musik, Kartenspiel und anregende Lektüre, sondern immer nur – gesprochen oder gelesen – Geschichten von Jammer und Tod. Wir lasen nichts anderes als Zeitungen und diese waren mit »Krieg« und nichts als »Krieg« gefüllt und was wir sprachen, bezog sich meist auf die Erfahrungen, welche Friedrich und ich von den böhmischen Schlachtfeldern zurückgebracht hatten. Meine Abreise dahin wurde mir zwar von allen sehr übel genommen, dennoch lauschten sie gespannt, wenn ich von den dortigen, teils selbsterlebten, teils mitgeteilten Ereignissen erzählte. Rosa schwärmte für Frau Simon und schwor, falls der Krieg andauern sollte, sich der sächsischen Samariterin anzuschließen. Dagegen protestierte natürlich unser Vater: »Mit Ausnahme der barmherzigen Schwestern und der Marketenderinnen hat kein Frauenzimmer im Krieg was zu suchen ... ihr seht ja, wie untauglich unsere Martha sich erwiesen hat. Das war ein unverzeihlicher Streich von dir, du tolles Kind – dein Mann sollte dich nachträglich dafür züchtigen.« Friedrich streichelte meine Hand: »Ja, eine Torheit war's – aber eine schöne.« – Wenn ich von den Schrecknissen, die ich selber gesehen, oder die mir meine Reisegefährten mitgeteilt, in gar zu unverhüllter Weise sprach, wurde ich oft von Tante Marie oder von meinem Vater rügend unterbrochen: »Wie kann man so abscheuliche Dinge wiederholen?« Oder: »Schämst du dich nicht, als Frau, als zarte Dame, so häßliche Worte in den Mund zu nehmen?« Als ich gar eines Abends von den Verstümmelten sprach und das Los derer beklagte, die im Namen des Mannesmuts, der Manneszucht und der Mannesehre in den Krieg getrieben, von dort zurückkehren müssen, ihrer Mannheit auf ewig beraubt – –
    »Martha! Vor den Mädchen!!! « stöhnte Tante Marie; im Tone der höchsten sittlichen Entrüstung.
    Da riß mir die Geduld: »O über eure Prüderie – und o über eure zimperliche Wohlanständigkeit! Geschehen dürfen alle Greuel, aber nennen darf man sie nicht. Von Blut und Unrat sollen die zarten Frauen nichts erfahren und nichts erwähnen, wohl aber die Fahnenbänder sticken, welche das Blutbad überflattern werden; davon dürfen Mädchen nichts wissen, daß ihre Verlobten unfähig gemacht werden können, den Lohn ihrer Liebe zu empfangen, aber diesen Lohn sollen sie zur Kampfesanfeuerung versprechen. Tod und Tötung hat nichts Unsittliches für euch, ihr wohlerzogenen Dämchen – aber bei der bloßen Erwähnung der Dinge, welche die Quellen des fortgepflanzten Lebens sind, müßt ihr errötend wegschauen. Das ist eine grausame Moral, wißt ihr das? Grausam und feig! Dieses Wegschauen – mit dem leiblichen und mit dem geistigen Auge – das ist an dem Beharren so vielen Elends und Unrechts schuld! Wer nur erst den Mut hätte, hinzuschauen, wo Mitgeschöpfe in Leid und Elend schmachten und den Mut hätte, über das Geschaute nachzudenken –«
    »Ereifere dich nicht«, unterbrach Tante Marie, »wir können doch nicht, so viel wir auch zuschauen und nachdenken wollten, das Übel von der Erde wegschaffen – dieselbe ist nun einmal ein Jammertal und wird es immer bleiben.«
    »Das wird sie nicht«, entgegnete ich und behielt so doch das letzte Wort.
    * * *
    »Die Gefahr, daß Frieden geschlossen wird, rückt immer näher« klagte eines Tages mein Bruder Otto.
    Wir saßen eben wieder um den Familientisch – Friedrich auf seinem Ruhebett daneben – und es hatte jemand aus der Zeitung die Nachricht vorgelesen, daß Benedetti in Böhmen angekommen sei – offenbar mit der Sendung betraut, Friedensvorschläge zu unterbreiten.
    Nichts fürchtete mein kleiner – er war zwar schon groß, doch hatte ich die Gewohnheit, ihn so zu nennen – mein kleiner Bruder so sehr, als daß der Krieg ein frühzeitiges Ende nehme und daß es ihm nicht beschieden wäre, den Feind aus dem Land zu jagen. Es war nämlich aus Wiener-Neustadt die Nachricht erfolgt, daß, falls die Feindseligkeiten wieder aufgenommen würden, dann bei der nächsten, am 18. August folgenden Ausmusterung nicht nur die Zöglinge des letzten, sondern auch mehrere des vorletzten Jahrganges sogleich in aktiven Dienst treten dürften. Diese Aussicht versetzte den jungen Helden in Entzücken. Gleich aus der Akademie in den Krieg – welche Wonne! Ähnlich freut

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