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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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stieg mir wiederholt zu den Lippen empor, ich fand aber nicht den Mut, sie auszusprechen. Endlich – wir waren schon ein Stück gefahren und mein Vater, war noch immer stumm – brachte ich dieselbe hervor:
    »Bis gestern abend nicht,« lautete die Antwort. »Möglich, daß wir heute Nachricht finden. Ich bin nämlich schon gestern, gleich nach Empfang des Telegramms, zur Stadt gefahren. Ach, hast du uns Angst gemacht, du närrisches Ding! Auf die Schlachtfelder fahren, dem grimmigen Feind entgegen – diese Leute sind ja wie die Wilden ... Durch ihre Spitzkugelsiege sind sie ja ganz berauscht ... und überhaupt: disziplinierte Soldaten sind sie ja nicht, diese Landwehrleute – von solchen kann man sich auf die ärgsten Untaten gefaßt machen, und du – eine Frau – läufst da mitten hinein; du – nun der Doktor hat mir verordnet, dir keine Vorwürfe zu machen –«
    »Wie geht es meinem Sohne Rudolf?«
    »Der schreit und heult nach dir, sucht dich im ganzen Haus, will nicht glauben, daß du weggereist seiest, ohne ihm einen Abschiedkuß zu geben. Und nach den anderen fragst du nicht? nach Lilli, Rosa, Otto, Tante Marie? Du kommst mir überhaupt so teilnahmslos vor –«
    »Wie geht es allen? Hat Konrad geschrieben?«
    »Gut geht es allen. Von Konrad kam gestern ein Brief – es ist ihm nichts geschehen. Lilli ist selig. Du wirst sehen, von Tilling wird nächstens auch gute Nachricht eintreffen. Leider ist in politischer Hinsicht nichts Gutes zu erwarten. Du hast doch von dem großen Unglück gehört?«
    »Welches ... Ich habe in der Zeit gar nichts anderes gesehen als großes Unglück.«
    »Ich meine Venetien – unser schönes Venetien fortgeschleudert – dem Intriganten Louis Napoleon auf dem Präsentierteller gereicht! Und das nach solchen glänzenden Siegen, wie wir bei Custozza errungen haben ... Statt unsere Lombardei zurückzunehmen, auch noch unser Venedig hingeben! Freilich, dadurch sind wir die Feinde im Süden los, haben auch den Louis Napoleon für uns und können jetzt mit aller Wucht für Sadowa Rache nehmen, den Preußen aus dem Lande hinauswerfen, ihn verfolgen und uns Schlesien holen. Benedek hat große Fehler begangen, jetzt aber wird der Oberbefehl in die Hände des glorreichen Feldherrn der Südarmee gelegt ... Du antwortest nicht? Nun denn, so will ich dir, immer nach Bressers Verordnung, Ruhe lassen.«
    Nach zweistündiger Fahrt kamen wir in Grumitz an.
    Als unser Wagen im Schloßhof einfuhr, stürzten uns die Schwestern entgegen.
    »Martha, Martha« – riefen beide schon von weitem: »Er ist da!«
    Und nochmals – am Wagenschlag:
    »Er ist da, Martha!«
    »Wer!«
    »Friedrich, dein Mann.«
    * * *
    Ja – so war es. Erst gestern, spät am Abend war Friedrich mit einem Verwundetentransporte von Böhmen nach Wien und von dort hierher gebracht worden. Er hatte eine Kugel in das Bein bekommen, eine Wunde, die ihn augenblicklich dienstunfähig und pflegebedürftig machte, die jedoch gänzlich ungefährlich war.
    Aber auch die Freude ist schwer zu ertragen. Die mir von meinen Schwestern so unvorbereitet zugeworfene Nachricht: »Friedrich ist da« wirkte ebenso, wie die Schrecknisse der vergangenen Tage: sie raubte mir die Besinnung.
    Man mußte mich aus dem Wagen in das Schloß tragen und zu Bett bringen. Hier verbrachte ich – war es die Nachwirkung des Narkotikums, war es die Heftigkeit des Freudenschlages? – mehrere Stunden in bald schlafender, bald delirierender Bewußtlosigkeit. Als ich zu mir kam und mich in meinem Bette sah, da glaubte ich, daß ich aus einem schweren Traum erwachte und daß ich von Grumitz gar nicht fortgekommen war. Der Brief Bressers, mein Entschluß nach Böhmen abzureisen, meine Erlebnisse dortselbst – die Rückfahrt, die angekündigte Heimkehr Friedrichs: Alles nur geträumt ...
    Ich blickte auf. Am Fuße des Bettes stand meine Kammerjungfer.
    »Ist mein Bad bereit?« fragte ich, »ich will aufstehen.«
    Jetzt stürzte aus einer Ecke des Zimmers Tante Marie hervor:
    »Ach Martha, armer Schatz, bist du endlich wach und bei Sinnen – Gott sei Dank! Ja, ja, steh auf – und ja, ja, nimm dein Bad, das wird wohl tun ... wenn man so von Straßen- und Eisenbahnstaub bedeckt ist, wie du –«
    »Eisenbahnstaub – was meinst du denn?«
    »Schnell, steh' auf – Netti, richten Sie alles vor. Friedrich vergeht schon vor Ungeduld, dich zu sehen.«
    »Friedrich, mein Friedrich!!!«
    Wie oft hatte ich in den letzten Tagen diesen Namen so schmerzlich ausgerufen – aber

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