Die Waffen nieder!
und lebensfrohes Bild. Die Herren – bis auf Minister »Allerdings«, welcher augenblicklich unser Gast war – sämtlich in Uniform, die Damen in Putz. Seit langer Zeit hatten wir uns zum erstenmal wieder »aufgedonnert«; Lori namentlich – die kokette Lori – welche am selben Tag von Wien gekommen war, hatte auf die Nachricht hin, daß fremde Offiziere anwesend seien, ihre schönste Toilette ausgepackt und sich mit frischen Rosen geschmückt. Gewiß war es darauf abgesehen, dem einen oder dein anderen Vertreter des feindlichen Heeres den Kopf zu verdrehen. Nun, meinethalben mochte sie sämtliche preußische Bataillone erobern – aber Friedrich unbehelligt lassen ... Lilli, die glückliche Braut, trug ein lichtblaues Kleid; Rosa – wahrscheinlich auch sehr froh, wieder einmal jungen Kavalieren sich zeigen zu können – war in rosa Musselin gehüllt; nur ich, in der Ansicht, daß Kriegszeit, auch wenn man niemand zu betrauern hat, immer Trauerzeit sei hatte eine schwarze Toilette angelegt.
Ich erinnere mich noch an den eigentümlichen Eindruck, den es mir machte, als ich an jenem Tag den Salon, in welchem die übrigen schon versammelt waren, betrat. Glanz, Heiterkeit, vornehmer Luxus – die geputzten Frauen, die schmucken Uniformen: welcher Kontrast zu den noch vor so kurzer Zeit gesehenen Bildern von Jammer, Schmutz und Schrecken. Und die Glänzenden, Heiteren, Vornehmen selber sind es ja, welche freiwillig den Jammer in Szene setzen, welche nichts tun wollen, ihn abzuschaffen, welche, im Gegenteil, ihn glorifizieren und mit ihren Goldborten und Sternen den Stolz bekunden, den sie darein setzen, die Träger und Stützen des Jammersystems zu sein!
Mein Eintritt unterbrach die in den verschiedenen Gruppen geführte Unterhaltung, da mir nun unsere preußischen Gäste sämtlich vorgestellt werden mußten; – zumeist vornehm klingende Namen auf – »ow« und auf »witz«; viele »von« und sogar ein Prinz – ein Heinrich, ich weiß nicht der wievielte, aus dem Reuß.
Das also waren unsere Feinde: Vollendete Gentlemen mit den geschliffensten Gesellschaftsformen. Nun freilich: das weiß man ja, wenn heutzutage mit einer benachbarten Nation Krieg geführt wird, so hat man es nicht mit Hunnen und Vandalen zu tun; aber doch: es wäre viel natürlicher, sich den Feind als eine wilde Horde vorzustellen, und es gehört eine gewisse Anstrengung dazu, ihn als ebenbürtigen Kulturbürger aufzufassen. »Gott, der du die Widersacher derer, die dir vertrauen, durch die Kraft deiner Verteidigung zurückwirfst, höre uns, die wir um deine Erbarmnisse flehen, gnädig an, damit wir nach der unterdrückten Wut des Feindes dir in Ewigkeit danken können.« So hatte allsonntäglich der Grumitzer Pfarrer gebetet. Wie mußte da die Gemeinde sich den »wütenden Feind« vorstellen? Gewiß nicht so, wie diese höflichen Edelleute, die jetzt den anwesenden Damen den Arm boten, um sie zu Tisch zu führen ... Überdies hatte Gott diesmal das Gebet der anderen erhört und unsere Wut unterdrückt – der schäumende, mordgierige Feind, der durch die Kraft der göttlichen Verteidigung (wir nannten es zwar Zündnadelgewehr) zurückgeworfen worden, das waren ja wir – O du heiliger Widersinn! ... Das waren so ungefähr meine Gedanken, während wir an der mit Blumen und Fruchtschalen reich geschmückten Tafel uns in bunter Reihe niederließen. Auch das Silber war auf des Hausherrn Befehl aus dem Versteck wieder hervorgeholt. Ich saß zwischen einem stattlichen Obersten auf -ow und einem schlanken Leutnant auf -itz. Lilli selbstverständlich an der Seite ihres Bräutigams; Rosa war von dem prinzlichen Heinrich zu Tisch geführt worden, und der bösen Lori war es doch wieder gelungen, meinen Friedrich zum Nachbar zu haben. Nur zu! Eifersüchtig würde ich doch nicht werden: er war ja »mein« Friedrich, am meinsten ...
Es wurde sehr viel und sehr heiter gesprochen. Die »Preußen« fühlten sich offenbar höchst vergnügt, nach den durchgemachten Strapazen und Entbehrungen wieder einmal an wohlbesetzter Tafel und in guter Gesellschaft zu festen; und das Bewußtsein, daß der überstandene Feldzug ein siegreicher gewesen, trug jedenfalls dazu bei, ihre Stimmung zu heben. Aber auch wir, die Besiegten, ließen von Groll und Beschämung nichts merken und bemühten uns, die möglichst liebenswürdigen Hauswirte zu spielen. Meinem Vater mußte dies zwar – wie ich seine Gesinnung kannte – einige Überwindung kosten, aber er führte seine Rolle
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