Die Waffen nieder!
Volke. Man muß Heinrich darüber reden hören. Er sagt, Preußen stehe jetzt groß da – in dem Heere herrsche allgemeiner Jubel und begeisterte Dankbarkeit und Liebe zu den Feldherren, die es zum Siege geführt ... dadurch ward der deutschen Gesittung, dem Handel, oder sagte er dem deutschen Wohlstand – ich weiß nicht mehr genau ... die historische Mission ... kurz, man muß ihn reden hören.«
»Warum spricht dein Bräutigam nicht lieber von eurer Liebe, statt von politischen und militärischen Dingen?«
»O, wir sprechen von allem – und alles, was er sagt, klingt mir wie Musik ... Ich fühle es ihm so gut nach, daß er stolz und selig ist, diesen Krieg für König und Vaterland mitgefochten –«
»Und sich dabei als Beute ein so verliebtes Bräutchen geholt zu haben,« ergänzte ich.
Dem Vater gefiel sein künftiger Schwiegersohn sehr gut – und wem hätte der prächtige junge Mensch nicht gefallen sollen? Er erteilte ihm jedoch seine Sympathie und seinen Segen unter allerlei Verwahrungen und Vorbehalt:
»Sie sind mir als Mensch und Soldat und als Prinz in jeder Hinsicht schätzenswert, lieber Reuß,« so sagte er zu wiederholten Malen und in verschiedenen Redewendungen, »aber als preußischer Offizier kann ich Sie natürlich nicht leiden und ich behalte mir – trotz aller Familienverbindung – das Recht vor, nicht so sehr zu wünschen, als einen kommenden Krieg, in welchem Österreich die jetzige Überrumpelung tüchtig heimzahlt. Die politische Frage ist von der persönlichen ganz zu trennen. Mein Sohn wird einst – Gott walte, – daß ich's erlebe – gegen das Land Preußen zu Felde ziehen; ich selbst, wenn ich nicht zu alt wäre und wenn mein Kaiser mich dazu beriefe, übernähme gleich ein Kommando, um Wilhelm I. und besonders, um Ihren arroganten Bismarck zu bekriegen. Dies verschlägt nicht, daß ich die militärischen Tugenden der preußischen Armee und die strategische Kunst ihrer Führer anerkenne und daß ich es ganz natürlich finden würde, wenn Sie im nächsten Feldzug, an der Spitze eines Bataillons, unsere Hauptstadt erstürmen wollten und das Haus anzünden ließen, in welchem Ihr Schwiegervater wohnt – kurz –«
»Kurz, die Konfusion der Gefühle ist eine heillose,« unterbrach ich einmal eine solche Rhapsodie – »die Widersprüche und Gegensätze verschlingen einander darin wie die Infusorien in einem faulenden Wassertropfen ... So geht es immer, wenn widerstreitende Begriffe zusammengepfercht werden. Ein Ganzes hassen und seine Teile lieben; – als Mensch so und als Landesangehöriger so denken wollen – das geht nicht: entweder – oder. Da lobe ich mir den Botokudenhäuptling: der empfindet für die Anhänger eines anderen Stammes – von denen er nicht einmal weiß, daß sie »Individuen« sind – weiter nichts, als den Wunsch, sie zu skalpieren.«
»Aber Martha, mein Kind, solche wilde Gefühle passen doch nicht zu dem gesitteten und humaner gewordenen Stand unserem Kultur.«
»Sage lieber, der Stand unserer Kultur paßt nicht zu der aus alten Zeiten uns überkommenen Wildheit. So lange diese – das heißt so lange der Kriegsgeist nicht abgeschüttelt ist, läßt sich unsere vielgepriesene »Humanität« nicht vernünftig vertreten. Denn du wirst doch deine eben gehaltene Rede, in welcher du dem Prinzen Heinrich versicherst, daß du ihn als Schwiegersohn lieben und als Preußen hassen willst, als Mensch hoch schätzen und als Oberleutnant verabscheuen, daß du ihm gern deinen väterlichen Segen gibst und zugleich ihm das Recht einräumst, gelegentlich auf dich zu schießen – verzeih', lieber Vater, aber diese Rede wirst du doch nicht für vernünftig ausgeben?«
»Was sagst du? Ich versteh' kein Wort ...«
Die beliebte Schwerhörigkeit hatte sich wieder rechtzeitig eingestellt.
* * *
Nach wenigen Tagen wurde es wieder still auf Grumitz. Unsere Einquartierung mußte abziehen und auch Konrad wurde zu seinem Regiment befohlen. Lori Griesbach und der Minister waren schon früher abgereist.
Die Hochzeit meiner beiden Schwestern ward auf den Oktober verlegt. Beide sollten am selben Tage in Grumitz getraut werden. Prinz Heinrich wollte den Dienst verlassen; jetzt nach diesem glorreichen Feldzuge, in welchem er sich Beförderung geholt, konnte er dies leicht tun, um sich auf seinen Lorbeeren und auf seinen Besitzungen auszuruhen.
Der Abschied der zwei Liebespaare war ein schmerzlicher und glücklicher zugleich. Man versprach, sich täglich zu schreiben, und
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