Die Waffen nieder!
mit musterhafter Courtoisie durch. Der Niedergeschlagenste war Otto. Seinem in der letzten Zeit genährten Preußenhaß, seiner Sehnsucht, den Feind aus dem Land zu jagen, ging es sichtlich gegen den Strich, diesem selben Feind nun höflichst Pfeffer und Salz hinüberreichen zu müssen, statt ihn mit dem Bajonett durchbohren zu dürfen. Dem Thema Krieg wurde im Gespräch sorgfältig ausgewichen; die Fremden wurden von uns behandelt, als wären sie unsere Gegend zufällig besuchende Vergnügungsreisende, und sie selbst vermieden es noch ängstlicher, auf die Sachlage – daß sie nämlich als unsere Überwinder hier hausten – anzuspielen. Mein junger Leutnant versuchte sogar recht angelegentlich, mir den Hof zu machen. Er schwor auf Ehre und auf Taille, daß es nirgends so gemütlich sei wie in Österreich, und daß daselbst (mit seitwärts abgeschossenem Zündnadelblick) die reizendstens Frauen der Welt zu finden seien. Ich leugne nicht, daß ich mit dem schmucken Marssohne auch ein wenig kokettierte; es geschah, um der Lori Griesbach und ihrem Nachbar zu zeigen, daß ich gegebenen Falles mich einigermaßen rächen könnte ... aber der da drüben blieb ebenso ruhig – wie ich es im Grunde meines Herzens eigentlich auch war. Vernünftiger und zweckmäßiger wäre es jedenfalls gewesen, wenn mein »schneidiger« Leutnant seine mörderischen Augengeschosse auf die schöne Lori gezielt hätte. Konrad und Lilli, in ihrer Eigenschaft als Verlobte (solche Leute sollte man eigentlich immer hinter Gitter setzen), wechselten ganz auffällig verliebte Blicke und flüsterten und stießen heimlich miteinander ihre Gläser an und was dergleichen Salonturteltauben-Manöver mehr sind. Und, wie mir schien, noch eine dritte Flirtation begann da sich zu entspinnen. Der deutsche Prinz nämlich – Heinrich der soundsovielte – unterhielt sich auf das angelegentlichste mit meiner Schwester Rosa und dabei malte sich in seinen Zügen unverhohlene Verwunderung.
Nach aufgehobener Tafel begab man sich in den Salon zurück, in welchem jetzt der angesteckte Kronleuchter ein festliches Licht verbreitete.
Die Terassentür stand offen. Draußen war die laue Sommernacht von mildem Mondlichte durchflutet. Ich trat hinaus. Das Nachtgestirn warf seine Strahlen funkelnd auf dem in Hintergrunde ausgedehnten Teich ... War das wirklich derselbe Mond, welcher mir vor kurzer Zeit den an eine Kirchhofsmauer gelehnten, von kreischendem Raubgevögel umkreisten Leichenhaufen gezeigt hatte? Und waren das dieselben Leute drinnen – eben öffnete ein preußischer Offizier den Flügel, um ein Mendelssohnsches Lied ohne Worte vorzutragen – waren das dieselben, die vor kurzem noch mit dem Säbel um sich schlugen, um Menschenschädel zu spalten? ...
Nach einer Weile kamen auch Prinz Heinrich und Rosa heraus. Sie sahen mich nicht in meiner dunklen Ecke und gingen an mir vorüber. Jetzt standen sie, an das Geländer gelehnt, nah, sehr nah nebeneinander. Ich glaube sogar, der junge Preuße – der Feind – hielt die Hand meiner Schwester in der seinen. Sie sprachen leise, dennoch drang einiges von des Prinzen Rede zu mir herüber: »Holdseliges Mädchen ... plötzliche, sieghafte Leidenschaft ... Sehnsucht nach häuslichem Glück ... Würfel gefallen ... aus Barmherzigkeit nicht »nein«! ... Flöße ich Ihnen denn Abscheu ein?« Rosa schüttelt verneinend den Kopf. Da führt er ihre Hand an seine Lippen und versuchte, den Arm um ihre Mitte zu schlingen. Sie, die Wohlerzogene, entwindet sich rasch.
Ach, mir wäre es beinah lieber gewesen, wenn mir der sanfte Mondstrahl da einen Liebeskuß beleuchtet hätte ... Nach all den Bildern des Hasses und des bitteren Jammers, die ich vor kurzem hatte schauen müssen, wäre mir jetzt ein Bild von Liebe und süßer Luft wie etwas Vergütung erschienen. –
»Ach – du bist es, Martha!«
Jetzt war Rosa meiner Gewahr geworden – zuerst sehr erschrocken, daß jemand diese Szene belauscht, dann aber beruhigt, daß nur ich es war.
Im höchsten Grade verlegen und bestürzt war jedoch der Prinz. Er trat an mich heran:
»Ich habe Ihrer Schwester soeben meine Hand angeboten, gnädige Frau. Legen Sie gütigst ein Wort für mich ein! Meine Handlungsweise wird Ihnen beiden etwas rasch und kühn erscheinen. Zu einer anderen Zeit würde ich wohl auch überlegter und bescheidener vorgegangen sein – aber in den letzten Wochen habe ich es mir angewöhnt, schnell und keck voranzusprengen – da war kein Zögern und Zagen erlaubt
Weitere Kostenlose Bücher