Die Waffen nieder!
Kind abberufen worden. – Er ist ja im Himmel und hier auf dieser Erde–«
»Walten oft Höllengewalten, das ist wahr – das habe ich jetzt wieder in der Nähe gesehen,« erwiderte Friedrich nachdenklich.
Hierauf wurde er von der armen Frau über die beiden Feldzüge ausgefragt, wovon er den einen mit – den anderen gegen – Gottfried mitgemacht.
Er mußte hundert Einzelheiten anführen und konnte dabei der beraubten Mutter denselben Trost geben, den er einst mir aus dem italienischen Kriege gebracht: nämlich, daß der Betrauerte eines raschen und schmerzlosen Todes gestorben sei. Es war ein langer, trauriger Besuch. Auch die ganzen Einzelheiten der schaurigen Cholerawoche habe ich da wiedererzählt und meine Erlebnisse auf den böhmischen Schlachtfeldern. Eh' wir sie verließen, führte uns die Tante noch in Gottfrieds Zimmer, wo ich beim Durchlesen des oben angeführten Briefes – von dem ich mir später eine Abschrift erbat – von neuem bittere Tränen vergießen mußte.
* * *
»Jetzt erkläre mir,« sagte ich zu Friedrich, als wir unseren vor Frau von Tessows Wohnung wartenden Wagen bestiegen, »warum du den Konsistorialrat –«
»Zu einer Konferenz mit dir gebeten? Verstehst du nicht? ... Das soll mir als Studienmaterial dienen. Ich will wieder einmal hören – und diesmal notieren – mit welchen Argumenten die Priester den Völkermord verteidigen. Als Führerin des Streites habe ich dich vorgeschoben. Einer jungen Frau geziemt es besser, vom christlichen Standpunkte aus Zweifel über die Berechtigung des Krieges zu hegen als einem »Herrn Oberst« –«
»Du weißt aber, daß wir solche Zweifel nicht vom religiösen, sondern vom humanen Standpunkt –«
»Diesen müssen wir dem Herrn Konsistorialrat gegenüber gar nicht hervorkehren, sonst würde die Streitfrage auf ein anderes Feld verlegt. Die Friedensbestrebungen der Freidenkenden leiden an keinem inneren Widerspruch, und gerade den Widerspruch, welcher zwischen den Satzungen der Christenliebe und den Geboten der Kriegführung besteht, wollte ich von einem militärischen Oberpfarrer – d.h. also von einem Vertreter christlichen Soldatentums – erläutern hören.« Der Geistliche stellte sich pünktlich ein. Offenbar war ihm die Aussicht verlockend, eine belehrende und bekehrende Predigt vorbringen zu können. Ich hingegen blickte der Unterredung mit etwas peinlichen Gefühlen entgegen, denn es fiel mir darin eine unaufrichtige Rolle zu. – Aber zum Wohle der Sache, welcher Friedrich fortan seine Dienste geweiht, konnte ich mir schon einige Überwindung auferlegen und mich mit dem Satze trösten: Der Zweck heiligt das Mittel.
Nach den ersten Begrüßungen – wir saßen alle drei auf niederen Lehnstühlen in der Nähe des Ofens – begann der Konsistorialrat also:
»Lassen Sie mich auf den Zweck meines Besuches eingehen, gnädige Frau. Es handelt sich darum, aus Ihrer Seele einige Skrupel zu bannen, welche nicht ohne scheinbare Berechtigung sind, welche aber leicht als Sophismen dargelegt werden können. Sie finden z.B., daß das Gebot Christi, man solle seine Feinde lieben, und ferner der Satz: »Wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen« in Widerspruch zu den Pflichten des Soldaten stehen, der ja doch bemächtigt ist, den Feind an Leib und Leben zu schädigen –«
»Allerdings, Herr Konsistorialrat, dieser Widerspruch scheint mir unlöslich. Es kommt auch noch das ausdrückliche Gebot des Dekalogs hinzu: »Du sollst nicht töten.«
»Nun ja – auf der Oberfläche beurteilt, liegt hierin eine Schwierigkeit; aber wenn man in die Tiefe dringt, so schwinden die Zweifel. Was das fünfte Gebot anbelangt, so würde es richtiger heißen (und ist auch in der englischen Bibelausgabe so übertragen) »Du sollst nicht morden .« Die Tötung zur Notwehr ist aber kein Mord. Und der Krieg ist ja doch nur die Notwehr im großen. Wir können und müssen, der sanften Mahnung unseres Erlösers gemäß, die Feinde lieben; aber das soll nicht heißen, daß wir offenbares Unrecht und Gewalttätigkeiten nicht sollten abwehren dürfen.«
»Dann kommt es also immer darauf hinaus, daß nur Verteidigungskriege gerecht seien, und ein Schwertstreich nur dann geführt werden darf, wenn der Feind ins Land fällt? Die gegnerische Nation aber geht von demselben Grundsatz aus – wie kann da überhaupt der Kampf beginnen? In dem letzten Kampfe war es Ihre Armee, Herr Konsistorialrat, welche zuerst die Grenze überschritt und –«
»Wenn man den
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