Die Waffen nieder!
also ein jeder Mensch von gutem Gewissen in demselben dienen, leben und sterben kann. Seine Feinde mag er verbrennen oder versengen, schinden, niederstoßen oder in Stücke zerhauen – es ist alles recht –, mögen andere daran judizieren was sie wollen: Gott hat in diesen Stücken nichts verboten, sondern die grausamsten Manieren, Menschen umzubringen, gebilliget.
Die Prophetin Deborah nagelte dem Kriegsobersten Sissara den Kopf am Erdboden an. Gideon, der von Gott verordnete Führer des Volkes, rächt sich an den Obersten zu Senhot, die ihm etwas Proviant verweigert hatten, soldatisch; Galgen und Rad, Schwert und Feuer waren zu schlecht; sie wurden mit Dornen gedroschen und zerrissen – gleichwohl war es recht vor den göttlichen Augen. Der königliche Prophet David, ein Mann nach dem Herzen Gottes, inventierte die grausamsten Martern über die schon überwundenen Kinder Ammon zu Rabboth; er ließ sie mit Säbeln zerschneiden, mit eisernen Wagen über sie fahren, zerschnitt sie mit Messern, zog sie hierdurch, wie man Ziegelsteine formieret, und also tat er in allen Städten der Kinder Ammon. Ferner hat –«
»Das ist greulich, das ist abscheulich!« unterbrach der Oberpfarrer. »Nur einem rohen Söldling aus der verwilderten Zeit des 30jährigen Krieges sieht es gleich, solche Beispiele aus der Bibel heranzuziehen, um darauf die Berechtigung der Grausamkeit gegen den Feind zu stützen. Wir verkünden jetzt ganz andere Lehren: im Kriege darf weiter nichts erstrebt werden, als die Unschädlichmachung des Gegners – bis zum Tode – ohne böswillige Absicht gegen das Leben eines einzelnen. Tritt solche Absicht, oder gar Mordlust und Grausamkeit gegen Wehrlose ein, dann ist das Töten im Kriege gerade so unmoralisch und unzulässig wie im Frieden. Ja, in vergangenen Jahrhunderten, wo Landsknechtsführer und fahrendes Volk den Kriegs als Handwerk betrieben, da konnte der Oberststückhauptmann solches schreiben; aber heutzutage wird nicht für Sold und Beute und nicht ohne zu wissen, gegen wen und warum zu Felde gezogen, sondern für die höchsten idealen Güter der Menschheit – für Freiheit, Selbständigkeit, Nationalität – für Recht, Glaube, Ehre, Zucht und Sitte ...«
»Sie, Herr Konsistorialrat,« warf ich ein, »sind jedenfalls sanfter und menschlicher als der Stückhauptmann; Sie haben daher aus der Bibel keine Belege für die Statthaftigkeit der Greuel – an welchen unsere mittelalterlichen Vorfahren und vermutlich noch mehr die alten Hebräer – ihre Lust hatten – beizubringen; aber es ist doch dasselbe Buch und derselbe Jehova, der nicht sanfter geworden sein kann, von dem aber jeder nur so viel Bestätigung sich holt, als es zu seiner Anschauung paßt.«
Auf dieses hin erhielt ich eine kleine Strafpredigt über meinen Mangel an Ehrerbietung dem Worte Gottes gegenüber und über meinen Mangel an Urteil bei dessen Auslegung.
Es gelang mir jedoch, das Gespräch wieder auf unser eigentliches Thema zurückzuleiten und jetzt erging sich der Konsistorialrat in lange, diesmal ununterbrochen bleibende Ausführungen über den Zusammenhang zwischen soldatischem und christlichem Geiste; er sprach von der religiösen Weihe, »die dem Fahneneid innewohnt, wenn die Standarten mit Musikbegleitung feierlich in die Kirche getragen werden unter der Ehrenbedeckung zweier Offiziere mit gezogenem Degen; da tritt der Rekrut zum erstenmal öffentlich mit Helm und Seitengewehr auf und zum erstenmal folgt er der Fahne seines Truppenteils, die jetzt entfaltet ist vor dem Altare des Herrn, zerfetzt wie sie ist und geschmückt mit dem Ehrenzeichen der Schlachten, in der sie getragen worden« ... Er sprach von der allsonntäglichen kirchlichen Fürbitte: »Beschütze das königliche Kriegsheer und alle treuen Diener des Königs und des Vaterlandes. Lehre sie, wie Christen ihres Eides gedenken und laß dann ihre Dienste gesegnet sein zu deiner Ehre und des Vaterlandes Besten. »Gott mit uns,« führte er weiter aus, »ist ja auch die Inschrift auf der Gürtelsschnalle, mit der der Infanterist sein Seitengewehr sich umgürtet, und diese Losung soll ihm Zuversicht geben. Ist Gott mit uns – wer mag wider uns sein? Da sind auch die allgemeinen Landes-, Buß- und Bettage, die beim Beginn eines Krieges ausgeschrieben werden, damit das Volk im Gebete des Herrn Hilfe erflehe, zugleich in der getrosten Hoffnung auf seinen Beistand und im Vertrauen auf den durch diesen Beistand zu erlangenden glücklichen Ausgang. Welche Weihe
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