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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertha von Suttner
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wurde in dieser ersten Minute gar nichts. Was man in solchen Augenblicken – beim ersten Wiedersehen nach einem schweren Unglücksfall – zu sagen hat, das drücken Tränen vollständig aus ...
    Sie führte uns an ihren Sitzplatz zurück und wies uns nebenstehende Sessel an. Dann, nachdem sie die Augen getrocknet:
    »Mein Neffe, Oberst Baron Tilling, – Herr Militäroberpfarrer und Konsistorialrat Mölser,« stellte sie vor.
    Stumme Verneigungen wurden gewechselt.
    »Mein Freund und geistlicher Berater,« ergänzte sie, »der es sich angelegen sein läßt, mich in meinem Schmerze aufzurichten –«
    »Dem es aber leider noch nicht gelungen ist, Ihnen die richtige Ergebung, die richtige Freudigkeit des Kreuztragens beizubringen, geschätzte Freundin,« sagte jener. »Warum mußte ich eben einen neuerlichen, so mattherzigen Tränenerguß sehen?«
    »Ach, verzeihen Sie mir! Als ich meinen Neffen und seine liebe junge Frau zum letzten Mal sah, da war mein Gottfried –« Sie konnte nicht weiter reden.
    »Da war Ihr Sohn noch auf dieser sündigen Welt, allen Versuchungen und Gefahren ausgesetzt, während er jetzt in den Schoß des Vaters eingegangen ist, nachdem er den rühmlichsten, seligsten Tod für König und Vaterland gefunden hat. Sie, Herr Oberst,« wandte er sich nun an meinen Mann, »die Sie mir eben auch als Soldat vorgestellt wurden, können mir helfen, dieser gebeugten Mutter den Trost zu geben, daß das Schicksal Ihres Sohnes ein neidenswertes ist. Sie müssen es wissen, welche Todesfreudigkeit den tapferen Krieger beseelt – der Entschluß, sein Leben auf dem Altar des Vaterlandes zum Opfer zu bringen, verklärt ihm alles Scheideweh, und wenn er im Sturm der Schlacht, beim Donner der Geschütze sinkt, so erwartet er, zu der großen Armee versetzt zu werden und dabei zu sein, wenn der Herr der Heerscharen droben Heerschau hält. Sie, Herr Oberst, sind unter jenen zurückgekehrt, welchen die göttliche Vorsehung den gerechten Sieg verliehen –«
    »Verzeihen Sie, Herr Konsistorialrat – ich habe in österreichischen Diensten gestanden –«
    »O ich dachte ... Ah so ...« entgegnete der andere ganz verwirrt ... »Auch eine prächtige, tapfere Armee, die österreichische.« Er stand auf. »Doch ich will nicht länger stören ... die Herrschaften wollen gewiß von Familienangelegenheiten sprechen ... »Leben Sie wohl, gnädige Frau – in einigen Tagen will ich wiederkommen ... Bis dahin erheben Sie Ihre Gedanken zu dem Allerbarmer, ohne dessen Wille kein Haar von unserem Haupte fällt und welcher jenen, die ihn lieben, alle Dinge zum besten dienen läßt, auch Trübsal und Leid, auch Not und Tod. Ich empfehle mich ergebenst.«
    Meine Tante schüttelte ihm die Hand:
    »Hoffentlich sehe ich Sie bald? Recht bald, ich bitte –«
    Er verneigte sich gegen uns alle und wollte der Türe zuschreiten.
    Friedrich aber hielt ihn auf:
    »Herr Konsistorialrat – dürfte ich eine Bitte an Sie richten?«
    »Sprechen Sie, Herr Oberst.«
    »Ich entnehme Ihren Reden, daß Sie ebenso sehr von religiösem wie von militärischem Geiste durchdrungen sind. Da könnten Sie mir einen großen Gefallen erweisen –«
    Ich horchte gespannt auf. Wo wollte Friedrich nur hinaus?
    »Meine kleine Frau hier,« fuhr er fort, »ist nämlich mit allerlei Skrupel und Zweifel erfüllt ... sie meint, daß vom christlichen Standpunkte aus der Krieg nicht recht zulässig sei. Ich weiß zwar das Gegenteil – denn nichts hält mehr zusammen als der Priester- und der Soldatenstand – aber mir fehlt die Beredsamkeit, dies meiner Frau klar zu machen. Würden Sie sich nun herbeilassen, Herr Konsistorialrat, uns morgen oder übermorgen eine Stunde der Unterredung zu schenken, um –«
    »O, sehr gern,« unterbrach der Geistliche. »Wollen Sie mir Ihre Adresse? ...« Friedrich gab ihm seine Karte und es wurde sogleich Tag und Stunde des erbetenen Besuches festgesetzt.
    Hierauf blieben mir mit der Tante allein.
    »Gewährt dir der Zuspruch dieses Freundes wirklich Trost?« fragte sie Friedrich.
    »Trost? Den gibt es für mich hienieden nicht mehr. Aber er spricht so viel und so schön von den Dingen, von welchen ich jetzt am liebsten höre – von Tod und Trauer, von Kreuz und Opfer und Entsagung ... er schildert die Welt, die mein armer Gottfried verlassen mußte, und von welcher auch ich mich weg sehne, als ein solches Tal des Jammers, der Verderbnis, der Sünde, des zunehmenden Verfalles ... und da erscheint es mir denn weniger traurig, daß mein

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